Einlassen auf die Welt!
Im Winter nach Grönland, auf dem Pferd durch albanische Berge, zu Fuß über die Alpen: Jana Steingässer und ihr Mann machen mit ihren vier Kindern Reisen, die in die Tiefe gehen. Darüber hat sie das Buch „Gebrauchsanweisung für’s Reisen mit Kindern“ geschrieben. Und wir wollten natürlich von ihr wissen: wieso, weshalb, warum?
Wohin führte Ihre letzte Reise mit der Familie?
Wir waren mit einem gemieteten Ford Transit in den Sommerferien in Südspanien und Marokko, um dort zu beruflichen Projekten rund um unser Thema Wasser und Nachhaltigkeit zu recherchieren.
Kommen Ihre Kinder nicht zu kurz, wenn Sie und Ihr Mann unterwegs arbeiten?
Wir gestalten unsere Reisen immer so, dass sie für alle spannend sind. Nach jeder anstrengenden Phase mit Terminen und Interviews sind unsere Kinder dran. Die dürfen sich dann überlegen, worauf sie Lust haben. Den Kinder alleine würden wir unsere Reise-Entscheidung aber nicht überlassen. Das ist wie beim Essen. Da gilt bei uns das Motto: Man muss alles zumindest probieren, bevor man sich eine eigene Meinung bilden kann. Deshalb sind unsere Kinder auch mit in die Alhambra in Granada gekommen, obwohl ihnen bei der Hitze nicht nach Sightseeing war. Speziell unser Sohn fand es dort wegen der vielen Brunnen dann so toll, dass er gar nicht mehr weg wollte. Der Strand bei Barcelona hingegen wurde nach drei Tagen für „total langweilig“ erklärt.
Sie waren zusammen im Winter in Grönland, sind durch die Berge in Albanien geritten und haben die Alpen zu Fuß auf Schmugglerpfaden durchquert. Wo sind die Grenzen Ihrer Abenteuer?
So lange die Kinder kleiner sind, vermeiden wir Gebiete mit lebensbedrohlichen Krankheiten wie Malaria. Aber ein gewisses Rest-Risiko gibt es immer. Eltern möchten sich heutzutage für jede Eventualität, jede Gefahr absichern. So geht Leben aber nicht. Am meisten sind bei uns Situationen hängen geblieben, die besonders anstrengend oder schwierig waren, die wir uns hart erarbeiten mussten. Daran sind wir alle am meisten gewachsen. Unsere Erfahrung ist, dass sich auch in haarigen Situationen immer eine Lösung findet. Von anderen habe ich das Feedback bekommen, wie bemerkenswert sie es an unseren Kindern finden, dass die Dinge selbst in die Hand nehmen, sich etwas trauen und für ihre Belange einstehen.
Warum ist Ihnen Ihre Art des Reisens so wichtig?
Wir reisen nicht, um in einem Land möglichst viele Orte und Sehenswürdigkeiten abzuhaken. Lieber bleiben wir länger an einer Stelle, um tiefer in das Leben der Menschen dort einzusteigen, ihren Alltag und ihre Themen kennenzulernen. Dabei sind Kinder ein echter Türöffner, weil sich Einheimische ihnen leichter öffnen, sie und uns einladen, Freundschaften schließen. Daraus ergeben sich immer wieder so tolle Begegnungen, dass beim Abschied nicht selten Tränen fließen.
Ist Ihnen bislang noch kein Ort begegnet, an dem Sie auf Dauer hätten leben wollen?
Wir finden es anderswo oft wahnsinnig schön, Skandinavien mögen wir besonderes gerne. Aber irgendwann vermissen wir unser Zuhause doch sehr. Wir haben zwei Jahre in Australien gelebt und erst dort habe ich gemerkt, wie wichtig mir Europa ist, wie stark ich hier verwurzelt bin. Unseren Kindern ist in Spanien und Marokko bewusst geworden, wie gut wir es in Deutschland haben. Das kann man ihnen noch so oft predigen, verstehen können sie es erst durch das eigene Erleben.
Durch das Internet scheint jeder Punkt auf der Erde bekannt oder blitzschnell erreichbar. Außerdem reisen die Deutschen besonders häufig. Wissen sie entsprechend viel über die Welt?
In Marokko sind wir wiederholt Touristen-Gruppen begegnen, die in klimatisierten Bussen von einer Besichtigung zur nächsten gehetzt sind. Bei solchen Ortswechseln bleibt man aber an der Oberfläche eines Landes, kann es über die Sehenswürdigkeiten und Hotels hinaus nicht kennenlernen. Dafür muss man seine Augen und Ohren weiter aufmachen, sich wirklich einlassen.
Wohin geht Ihre nächste Reise?
Im Winter wollen wir in die Arktis nach Norwegen. Außerdem denken wir immer mal wieder darüber nach, ein ganzes Jahr am Stück mit unseren Kindern zu reisen. Das ist bei meinem Mann und mir aber immer beruflich bedingt. Wir reisen nicht um des Reisens willen, sondern als Mittel zum Zweck.