Es gibt immer eine Lösung!
Wir haben die Buchautorin Gabriele Urban, die mit ihrem heute fünfjährigen Sohn bislang 35 Länder bereist hat, zum Interview getroffen. Sie erzählt über Ihre spannenden Reisen, Erlebnisse und ihre Erfahrungen unterwegs. Jetzt ist Ihr zweites Buch „Wenn ich groß bin, werde ich Machu Picchu“ erschienen.
1. Sie reisen mit Ihrem heute fünfjährigen Sohn seit seinem Babyalter gerne und oft. Welche Phase war dabei bislang besonders schön, welche eher
Ganz ehrlich, alle Phasen haben etwas Schönes und bringen ebenso ihre Herausforderungen mit sich … Besonders schön und auch unkompliziert war es zum Beispiel als Baby, wenn ich meinen Sohn einfach überallhin in die Trage nehmen konnte. Oder als Kleinkind, wenn ich als Mutter miterleben durfte, wie mein Sohn eigene Begegnungen machte und die Welt mit seinen großen Kinderaugen entdeckte. Und auch jetzt, wo mein Kind viel intensiver die Reisen erlebt, sich an sie erinnert und teilweise auch mitgestaltet, ist eine ganz besondere Reiseerfahrung. Allerdings hat jede Kindesphase auch ihre Tücken: Mit einem Baby zum Beispiel muss man ständig aufpassen, dass es sich nichts in den Mund steckt. Ich erinnere mich noch ganz genau (mit Schaudern), als im dritten Lebensjahr die berüchtigte Trotzphase mit uns durch Mittelamerika reiste. Und auch jetzt in Südamerika muss ich oft mit einem willensstarken Kind (um es positiv zu formulieren) klarkommen, das auf Teufel komm raus seinen eigenen Kopf durchsetzen und sich gegen Mama behaupten möchte. Kurzgesagt: Meiner Meinung nach gibt es nicht das perfekte Alter, um mit Kindern zu reisen – und jedes Alter ist gut geeignet, um gemeinsam mit Kindern die Welt zu entdecken.
Allerdings war es für mich persönlich wichtig, dass mein Baby damals schon einen gewissen Impfschutz und eine gutes Immunsystem aufgebaut hatte, bevor wir als Familie – damals war mein Sohn sieben Monate alt – unsere erste Fernreise unternahmen.
2. In Ihrem Buch schreiben Sie von Ängsten und Zweifeln vor der ersten gemeinsamen Fernreise nach Bali und Lombok. Kennen Sie 35 Länder, 73 Flüge und 64 Stempel im Pass später noch solche Emotionen?
Ängste und Zweifel nicht. Ich pflege immer zu sagen: Angst ist ein ganz schlechter Reisebegleiter, vor allem gemeinsam mit Kindern. Dennoch reise ich immer mit sehr viel Respekt sowie Wachsamkeit und höre auf mein Bauchgefühl – egal, in welches Land es geht.
3. In welchen Momenten sind Sie mit ihm unterwegs besonders glücklich?
Ich bin auf Reisen mit meinem Kind besonders glücklich, wenn wir mitten im lokalen Geschehen sind. Zusammen mit einem Kind knüpft man unterwegs meistens sehr schnell Kontakte zu den Einheimischen. Das sind immer besonders schöne Momente – und für mich persönlich die kostbarsten Erlebnisse auf Reisen.
Außerdem rührt es mich jedes Mal, wenn ich auf unseren Reisen erfahre, wie hilfsbereit viele Menschen sind. Ich reise ja meistens alleine mit meinem Kind – und es gab schon sehr viele Situationen, in denen mir andere Menschen ganz uneigennützig geholfen haben. In Peru zum Beispiel habe ich abends kein Taxi finden können und wir mussten ganz dringend unseren Nachtbus erwischen. Irgendwann sah ich keinen anderen Ausweg, als jemanden zu fragen, ob er uns in die nächste Stadt zum Busterminal fahren könnte. Ich hielt also eine Familie in einem Pick-up an und erklärte ihr unsere prekäre Situation. Sie nahm uns mit und setzte uns tatsächlich vier Minuten vor Abfahrt am Busbahnhof ab. Ich war ihr so dankbar und wollte der Mama Geld geben, da sie unseretwegen sogar einen erheblichen Umweg machen mussten. Doch sie verweigerte es vehement und meinte, dass sie mich doch mit einem Kind niemals hätten stehenlassen können … Das war für mich aber auch für meinen Sohn ein ganz besonderes Erlebnis.
4. Welchen Mindest-Komfort brauchen Sie beide auf Reisen, mit welchem Grad an Herausforderungen und Abenteuer kommen Sie klar?
Obwohl mein Kind und ich öfters in Ländern unterwegs sind, die von vielen Menschen als vermeintlich gefährlich abgestempelt werden, ist für mich Sicherheit ein ganz wichtiger Faktor auf Reisen. Ich schließe vorher zum Beispiel einen guten Reisekrankenschutz ab, konsultiere gegebenenfalls einen Facharzt oder Tropenmediziner, nehme vor allem außerhalb Europas eine gut ausgestatte Reiseapotheke mit, halte mich in den jeweiligen Ländern an gewisse Sicherheitsmaßnahmen und habe meinen sogenannten Masterplan für den Notfall im Hinterkopf (wie dieser aussieht, können Sie in meinem Buch erfahren). Außerdem ist es für mich als Mutter besonders wichtig, dass mein Kind und ich uns wohlfühlen. Wenn das beispielsweise an einem Ort oder in einer Unterkunft nicht der Fall ist, dann fahren wir einfach weiter, frei nach dem Motto „Love it or leave it“.
Sicherheit und sich Wohlfühlen sind mir auf Reisen mit meinem Kind also besonders wichtig. Dafür stört es mich überhaupt nicht, wenn ich nicht weiß, wohin es als nächstes geht oder wo wir am darauffolgenden Tag oder sogar heute Nacht schlafen. Denn ich reise überwiegend sehr spontan. Oft entscheide ich erst am Morgen, welches Reiseziel wir als nächstes anpeilen. So können wir unsere Reise nach Lust, Laune, Gefallen und Wohlfühlen gestalten. Klar bringt das spontane Reisen auch einige Herausforderungen mit sich, aber die nehme ich gerne in Kauf. Außerdem versuche ich immer die Nerven zu behalten, wenn unvorhersehbare Dinge passieren oder etwas überhaupt nicht nach Plan läuft. Denn ich habe auf meinen Reisen gelernt, dass es immer (mindestens) eine Lösung gibt. Improvisation gehört halt zum individuellen Reisen hin und wieder dazu.
5. Wie lange fühlen Sie sich zuhause wohl, bevor Ihnen langweilig wird und Sie wieder den Rucksack packen?
Das ist eine sehr gute Frage! Eigentlich packt mich bereits nach ein paar Tagen in Deutschland wieder das Fernweh. Aber ich muss auch zugeben, je mehr ich in fernen Ländern unterwegs bin, desto mehr weiß ich auch den Komfort und Vorzüge von meinem Zuhause zu schätzen. Außerdem ist mir daheim nie langweilig, da ich gerne arbeite und mit großer Vorliebe neue Projekte angehe. Dennoch merke ich, dass spätestens nach ein paar Monaten bei mir die Luft raus ist und ich das starke Bedürfnis habe, wieder in die weite Welt zu ziehen, um neue Dinge zu sehen und Inspirationen zu sammeln.
Meinem Sohn geht es übrigens mittlerweile genauso. Vor unserer großen Südamerikareise war er es, der es kaum abwarten konnte, dass es endlich wieder losgeht – und der ganz aufgeregt die verbleibenden Tage runtergezählt hat.
6. Kann man Fern- und Vielreisen mit Kind lernen oder ist die Fähigkeit dazu Typsache?
Eine Mischung aus beidem … Ich denke, dass sich alle Eltern vor ihrer ersten Reise gemeinsam mit dem Nachwuchs total überfordert fühlen und nicht wissen, ob sie allen Herausforderungen tatsächlich gewachsen sind. Das war bei mir auch so. Doch die meisten finden sich relativ schnell ins Unterwegssein ein, entwickeln ihre neue Routine und finden schlussendlich, dass Fern- oder Vielreisen mit Kindern ein ganz wundervolles Abenteuer sind. Doch natürlich gibt es auch Mütter, Väter und sicherlich auch Kinder, die sich in exotischen, fremden Umgebungen einfach nicht wohlfühlen, weil sie zum Beispiel ein sehr großes Sicherheitsbedürfnis haben oder einen geordneten, vertrauten Tagesablauf bevorzugen. Für solche Menschentypen ist ein Urlaub in einer Ferienwohnung oder ein Pauschalurlaub für zwei bis drei Wochen wohl die bessere Wahl. Ich sage immer, dass es sehr wichtig ist, sich mit der Wahl des Urlaubszieles und der Reiseart wohlzufühlen. Allerdings bedeutet es nicht, dass man in seinen Reisemöglichkeiten sehr eingeschränkt ist, nur weil man Kinder hat. Denn gemeinsam mit Kindern ist viel mehr möglich, als wir Eltern oft denken …
7. Sie haben für Ihr Buch Interviews mit anderen Familienreise-„Profis“ geführt. Gibt es einen Charakterzug, der diese und Sie verbindet?
Uns hat alle die ganz große Reiselust gepackt, sowohl uns Erwachsene als auch unsere Kinder.
8. Ihr Sohn scheint überall auf der Welt schnell Freunde zu finden. Machen ihm die häufigen Abschiede von diesen nicht auch zu schaffen?
Ja klar. Je älter er wird, desto bewusster nimmt er Abschiede von liebgewonnen Freunden wahr. Oft redet er noch Monate später von diesen Menschen. Das gehört zum Vielreisen halt dazu. Doch spätestens, wenn er neue Vertraute gefunden hat, ist das Traurigsein vorbei.
9. Wie haben die vielen gemeinsamen Reisen Ihre Beziehung und Ihre Persönlichkeit geprägt? ?
Auf Reisen wachsen wir viel intensiver als Team zusammen, denn es gibt sehr viele Situationen, in denen wir beide wissen, wie wichtig es ist, dass wir uns aufeinander verlassen können und auch MÜSSEN. Das schweißt zusammen. Außerdem habe ich das Gefühl, dass wir uns fern ab von zuhause nicht ausschließlich als Mutter und Kind, sondern mehr als „Reisepartner“ begegnen, die gemeinsam neue Orte entdecken, Menschen begegnen, Herausforderungen meistern und Abenteuer erleben. Außerdem würde ich sagen, dass sowohl mein Sohn als auch ich aufgrund unserer vielen Reisen keine großartigen Probleme haben, uns an fremden Orten zurechtzufinden, neue Kontakte zu knüpfen, schnell anpassungsfähig und sehr neugierig sind, Neues zu entdecken.
10. Gerade reisen Sie vier Monate durch Südamerika, weil Dante dorthin wollte. Wie oft gehen seine Wünsche unterwegs in Erfüllung? ?
Seitdem er unsere Reisen viel bewusster erlebt, gehe ich auf seine Wünsche immer mehr ein. So kann es vorkommen, dass wir den ganzen Tag auf einem Spielplatz verbringen oder am Fluss Steine werfen, anstatt uns irgendwelche wichtigen Sehenswürdigkeiten anzuschauen. Dante darf auch immer mehr die Reise mit planen. Manchmal darf er bestimmen, ob wir an einem Ort zwei oder vier Tage bleiben, welche spannende Aktivität wir als nächstes unternehmen oder wo wir heute Abend essen. Ab und zu gibt es auch einen kompletten „Dante-Tag“, an dem er alles bestimmen darf. Allerdings achte ich darauf, dass sich nicht die ganze Reise ausschließlich nach seinen Wünschen und Vorstellungen richtet. Denn ich habe ja auch meine eigenen. Deswegen achte ich darauf, dass wir beide mit unserem Reiseprogramm zufrieden sind und auf unsere eigenen Kosten kommen. Dementsprechend gibt es auch mal einen „Mama-Tag“, an dem mein Kind zum Beispiel einen Museumsbesuch über sich ergehen lassen muss.
