Ist das verboten oder darf ich das?
Eine fröhliche Anregung zum Regelnbrechen – so der Untertitel von Adrienne Friedlaenders neuem Buch. Ein Interview über Tabus und lustige Anekdoten, warum es glücklich macht, sich nicht immer an alle Regeln zu halten. Wie immer ehrlich und humorvoll …
1. Wie kamst du auf die Idee zu deinem neuen Buch?
Es war die Erinnerung an eine Szene, die mich sehr berührt hat und über die ich im Kapitel Tod geschrieben habe. Auf einer Geburtstagsfeier saß ich neben einem befreundeten Ehepaars meines Vaters. Ich wußte, dass ihre Tochter Selbstmord begangen hatte. Alle wußten das. Aber keiner sprach darüber. Mir kam es absurd vor, neben der Mutter zu sitzen, Butterkuchen zu essen und fröhlich über das Leben meiner Kinder zu erzählen, während ihr einziges Kind tot war. Ich nahm meinen Mut zusammen und fragte sie: wie geht es dir? Wie schaffst du es mit dem Verlust zu leben? Sie war keineswegs entsetzt, sonder es war, als hätte die Frage einen Stöpsel gezogen. Über eine Stunde erzählte sie mir von ihrer Tochter und der Trauer, froh darüber, endlich sprechen zu können über ihren Schmerz. Anteilnahme kann auch ein Anker sein.
Würde es uns nicht gut tun, helfen, sich ein wenig normaler und verstandener zu fühlen in dieser manchmal so verrückten Welt, wenn man sich darüber ehrlich austauschen würde?
2. Bist du eine Regelbrecherin?
Ja, dort wo es passt für mich. Ich verweigere mich, ungeprüft verstaubten Regeln zu befolgen, die vielleicht längst überholt sind. Oder Tabus zu folgen, die dem menschlichen Miteinander im Weg stehen. Ich möchte nicht Gedanken raten oder aus falscher Rücksichtnahme, Scham oder Angst schweigen, wenn es darum geht über Krankheit, Tod, Geld und all die „Darüber spricht man nicht“ geht. Denn ich habe erfahren, wie gut es tut, echte Anteilnahme zu geben und zu bekommen.
Ob Krankheit, Gleichberechtigung, Geld oder Sex – für mich gehören Regeln, Tabus und moralische Grundlagen in die Inspektion wie mein Auto: Funktion und Sicherheit müssten regelmäßig überprüft werden, denn was früher schützte, ist heute vielleicht längst überholt. Kaum noch vorstellbar, dass es vor Jahrzehnten keine Sicherheitsgurte an den Sitzen gab, geschweige denn eine Anschnallpflicht. Aber früher galt es ja auch als Skandal, unverheiratet ein Hotelzimmer zu teilen, während sich Menschen heute per App zum unverbindlichen Sex verabreden können. Die Gesellschaft ist ständig im Wandel, und deshalb ist auch bei Regeln und Tabus eine pausenlose Anpassung nötig.
3. . Was ist deine lustigste Anekdote? Wo hast du mit Spaß eine Regel gebrochen?
Ich denke, dass war mein Schwimmbad-Erlebnis. Ich habe es eines Tages gewagt, mich einem Rambo-Krauler in den Weg zu stellen. Warum pflügen manchen Männer wie Mähdrescher durchs Leben, beanspruchen zu viel Platz und wir Frauen springen automatisch zur Seite. Das tue ich nicht mehr. Weder im Schwimmbad, noch im Leben.
Ein anderer wunderbarer Regelbruch: Ich habe meinem zweiten Ehemann damals einen Heiratsantrag gemacht. Warum muss es immer der Mann sein, der fragt?
4. Macht Regeln brechen glücklich? ?
Ja. Das ist zumindest meine Erfahrung. Wer ab und zu die Regeln bricht, sich nicht ständig den Kopf darüber zerbrechen muss, ob sich „das gehört“ oder man „darüber spricht“, sondern seinem Herz- und Bauchgefühl folgt, geht gelassener durchs Leben und lebt entspannter. Ich empfinde es als große Bereicherung, wenn ich mit Menschen offen und ehrlich ins Gespräch komme, Wir miteinander reden, Solidarität und Empathie zeigen können.
5. Du reist ja sehr gerne. Verrätst du uns auf welcher Reise du was „Verbotenes“ gemacht hast?
Ohjeee. Das habe ich bis heute geheim gehalten: Es war auf meiner Reise nach Manitoba. Fünf Tage lang wurde unsere Reisegruppe im Tundra-Buggy durch die Hudson Bay gefahren. Wir beobachteten die Eisbären und schossen natürlich hunderte von Fotos. Als Reisejournalistin wollte ich unbedingt ein Foto von der Gruppe und dem gewaltigen Tundra-Buggy mit nach Hause bringen. Allerdings war das Aussteigen aus Sicherheitsgründen streng verboten. Mit viel Überredungskunst gelang es mir den Fahrer dann doch weich zu machen. Er erlaubt uns auf einer gut überschaubaren Fläche ein paar Minuten auszusteigen. Kaum hatten wir uns alle für das Foto vor unserem Gefährt positioniert, tauchte dann doch ein Eisbär auf, der sein Glück kaum fassen konnte Menschen außerhalb des Buges zu sehen und trabte auf uns zu… In Sekunden waren wir wieder im Wagen. Der Regelbruch bescherte uns ein tolles Foto, blieb aber bis heute das Geheimnis der Gruppe, denn wir wollten den Fahrer nicht in Schwierigkeiten bringen. In diesem Fall war der Regelbruch keine gute Idee und sogar gefährlich.