Zum Einkaufen, ins Fitness-Studio, Richtung Nymphenburger Schloss, Englischer Garten oder Viktualienmarkt: Möglichst viele Wege fahre ich daheim in München mit dem Rad. Vom Sattel aus kenne ich die Stadt daher bestens, nicht aber ihr Umland, von Oberbayern ganz zu schweigen. Wie gut, dass man die Region jetzt auf den neuen WasserRadlWegen erkunden kann. Rund 1.200 Kilometer lang führen die in drei Schleifen von München aus nach Norden, Südosten sowie Südwesten und zurück in die Landeshauptstadt. Je ein Teilstück wollen wir austesten – mit Freunden und als Familie, zwei mal mit einer Übernachtung, einmal nur als Tagestour.
1.) Freising, Wolnzach, Ingolstadt, Neuburg, Schrobenhausen
Für das erste Stück von München nach Freising nehmen wir die S-Bahn. Bis abends wollen wir es bis Ingolstadt schaffen – über 70 Kilometer. Auf asphaltierten Rad- und Feldwegen fahren wir mit zwei Freunden durch Wiesen und Waldstücke, durchqueren kleine Dörfer mit Bauernhöfen, um die herum Hühner scharren. Mit dem Beginn der Hallertau, dem größten zusammenhängenden Hopfenanbaugebiet der Welt, bestimmt ein besonderes Bild die leicht hügelige Landschaft: Zwischen schräg stehenden Holzstangen ranken an langen Drähten meterhohe Kletterpflanzen. Ihre getrockneten Dolden sorgen beim Bier für den bitteren Geschmack und die Schaumbildung. Mehr Knowhow könnten wir im Hopfenmuseum in Wolnzach bekommen – wenn wir nicht Bärenhunger hätten. Mit Blick auf den weißblau geringelten Maibaum genießen wir unser Mittagessen auf der Terrasse eines Lokals. Die nächste Stärkung gibt es mit Cappuccino und Kuchen in der Altstadt von Vohburg, nachdem wir das Können der Wakeboarder auf dem Lorenzisee bei Geisenfeld bestaunt haben. An der Donau geht es bis zum Etappenziel des Tages: Breit strömt fließt sie zwischen zwei Dämmen dahin; pittoresker wirken ihre Altwasser-Arme mit seltenen Vögeln und Pflanzen. Froschquaken begleitet uns auch nachts: Unser Family Pod, eine Art halbrunde, kleine Holzhütte mit Platz für zwei Betten, steht auf dem Waldcamping-Platz direkt am Ingolstädter Auwaldsee.
Trotzdem ist es mit dem Rad einen Katzensprung ins historische Zentrum, wo wir am nächsten Morgen in einer hippen italienischen Bar frühstücken – mit schmerzendem Po, aber stolz auf die schon geschaffte Strecke. Ihre Fortsetzung führt durch schattige Auwälder, weil wir weiter der Donau folgen. In der Ebene kostet das Trampeln weniger Kraft. Umso mehr Zeit bleibt für Naturbeobachtungen – egal ob Ackerfurchen, die bis zum Horizont regelmäßige Rillen durch die Erde ziehen, oder Gespinstmotten, deren weiße Netze komplette Bäume in Skulpturen verwandeln. Malerisch geht es in Neuburg mit dem mächtigen Renaissance-Schloss und der idyllischen Leopoldineninsel weiter, die als einzige in der Donau bewohnt ist. Anschließend folgt der Endspurt bis Schrobenhausen, der oft schnurgerade durch endlose Felder führt und uns ins Schwitzen bringt. Den Durst löscht dort ein Radler zu Rahmschwammerln mit Semmelknödeln im Bauern Bräu. Regelmäßige Kalorienzufuhr muss auf einer Radtour sein, ebenso wie die Möglichkeit, mit dem Zug an- und abreisen zu können – wie wir es mit dem Zug zurück nach München tun.
2.) Laufen, Tittmoning, Burghausen, Altötting, Mühldorf
Auf den ersten Kilometern strampelt Felicia (10) so schnell wie ihre Schwester Sophia (12). Dann fällt sie allmählich zurück und fragt nach einer knappen Stunde: „Wann sind wir denn da?“ Unterwegs von Laufen nach Tittmoning müssen wir uns deshalb motivierende Tricks einfallen lassen. Mal dürfen die Kinder an der Salzach mit Kieseln Steinmännchen bauen, mal den Möwen zuschauen, die im Tiefflug über den Fluss jagen. Auch die Aufforderung zu kleinen Wettfahrten wirkt Wunder. Oder die Burg in Tittmoning. Schon von Weitem können wir sie oberhalb des hübschen Ortes sehen und Felicia mit der Aussicht locken, dort ausgiebig Pause zu machen. Danach schlängelt sich unsere Route bergauf und -ab durch eine Endmoränenlandschaft mit Ausblicken bis zu den Alpen. Für die Anstiege entschädigen uns Abfahren durch duftende Wiesen, über denen Schmetterlinge taumeln. Eine letzte lange verläuft bis an den Stadtrand von Burghausen. Dort beziehen wir unser Quartier in der neu eröffneten Jugendherberge, die im ehemaligen Kapuzinerkloster untergebracht ist. „Cool!“ lautet der Kommentar der Mädchen zur Lobby, die Birkenstämme unterteilen. Auch unser großes Zimmer, in den sich ihre Betten aus der Wand klappen lassen, finden sie klasse. Interessanterweise ist ihre Müdigkeit plötzlich verflogen, als wir einen Besuch im Wöhrseebad vorschlagen: Am Fuß der längsten Burg der Welt, wo 200 Jahre bayerische Herzöge residierten, ist es nur fünf Minuten von unserer Unterkunft entfernt– toll genauso als Hingucker wie zum Schwimmen und Springen.
Am nächsten Morgen wirkt Felicia wie ausgewechselt. Nach einem Tag im Sattel hat sie sich an längere Strecken gewöhnt und beklagt sich nicht mehr alle paar Kilometer. Stattdessen betont sie auf dem Weg nach Altötting die Vorzüge dieser Fortbewegungsart: „Radeln finde ich entspannter als Autofahren. Da kann man nicht so auf die Tube drücken.“ Genauso gut gefällt ihr, dass man überall einen Parkplatz findet. Wie auf dem Kapellplatz in Bayerns berühmtestem Wallfahrtsort, wo wir rund um die Schwarzen Madonna hunderte von Votivtafeln anschauen und Felicia ihre Herzens-Wünsche in ein Buch schreibt. Auch in Mühldorf können wir unsere Räder direkt vor einem Café abstellen und nach einem Erdbeerbecher das allerletzte Stück bis aufs Gleis am Bahnhof fahren.
3.) Starnberg, Seeshaupt, Osterseen, Murnau
Die Haltestelle in Starnberg ist nicht zu toppen. Direkt nach dem Aussteigen aus der S-Bahn sieht man den See samt Anlegestelle für Ausflugsschiffe. Regelmäßig verkehren diese bis nach Seeshaupt. Die 20 Kilometer-Distanz ist aber auch ein Schmankerl für Radfahrer. Denn sie führt nur am Ufer entlang – vorbei an Villen mit parkähnlichen Gärten und hölzernen Bootshäusern, über Anliegerstraßen oder Wege durch Laubwälder, Erholungsgebiete und pittoreske Orte wie Ambach und Ammerland. Bei Schloss Berg legen wir einen Zwischenstopp ein: Zwei Gedenkkreuze und eine Votivkapelle erinnern an König Ludwig II., der an dieser Stelle unter ungeklärten Umständen ums Leben kam – nicht nur für den französischen Bekannten meiner Tochter ein Faszinosum. Angetan ist er auch von den Osterseen, durch die wir unsere Fahrt fortsetzen. Seit 1981 steht ein Großteil ihres an Skandinavien erinnernden Gebietes unter Naturschutz; nur in einigen Bereichen ist Baden erlaubt, darunter Iffeldorf, wo wir uns im Wasser des schilfgesäumten Fohnsees treiben lassen. Danach sind wir wieder fit für den anstrengendsten Teil unserer Tagestour: Die letzten Kilometer über Antdorf und Obersöchering nach Murnau sind hügeliger als erwartet. Dafür erwarten uns dort gleich drei Belohnungen: erstens eine Fußgängerzone, deren pastellfarbene Häuser von Mitgliedern der berühmten Künstlergruppe Der Blaue Reiter gemalt wurden. Zweitens ein leckeres Eis der Gelateria Gabbrielli, das wir mit Blick auf Rathaus und Mariensäule schlecken. Und drittens ein Bad im blitzblauen Staffelsee, von dem es nicht mehr weit zum Bahnhof ist.
Wir bedanken uns bei Oberbayern Tourismus für die freundliche Unterstützung dieser Reise. In Sachen Transparenz: Wir berichten nur über Aktivitäten, Unterkünfte und Destinationen von denen wir überzeugt sind und die für Familien geeignet sind.