Glamping auf bayerisch
Der Ferienhof Gottenau im oberbayerischen Hundham vermietet außer Zimmern, Wohnungen und einer Almhütte auch zwei Stellplätze für Wohnwägen oder -mobile. Wer hier campt, darf alle Angebote mitbenutzen; Familienanschluss und Naturgenuss sind inklusive.
Breit und behäbig liegt der Ferienhof Gottenau inmitten weiter Wiesen, als wir in der Dämmerung ankommen. Bis es dunkel wird, können wir gerade noch unseren Wohnwagen abkoppeln und auf dem Stellplatz zurecht schieben. Länger wollen wir nicht herum lärmen, weil die Bauernfamilie Zehetmair – ein junges Paar, zwei kleine Töchter und die Oma – einen langen, heißen Tag mit Heuernte hinter sich hat. Erst am nächsten Morgen bekommen wir deshalb zu sehen, an welchem Bilderbuch-Ort wir gelandet sind: Links von uns stehen sieben Pferde und Ponys in einem Paddock, über dem Schwalben und Spatzen zwitschern. Vor uns wellen sich 20 Hektar sattes Grün bis zum Horizont. Hinter uns flankieren Ställe und Scheunen ein sorgsam gepflegtes Bauernhaus von 1623, vor dessen Fenstern mit Lüftlmalerei rosa Hängegeranien blühen. In seinem Garten stehen sanft gerundete Holzliegen einladend bereit, zwischen denen eine getigerte Katze umherstreift. Seit 1930 können in diesem ländlichen Idyll zwischen Miesbach und Bayrischzell auch Gäste urlauben, anfangs für unfassbare 60 Pfennig pro Nacht in einfachen Zimmern.
Später kamen drei Wohnungen hinzu, die nach und nach renoviert werden, danach ein frei stehendes Blockhaus. Dank Korbinian Zehetmair hat sich das gerade eine Typverwandlung zur Design-Almhütte hinter sich. Der ist nämlich nicht nur Jungbauer, der das Anwesen nach dem frühen Tod des Vaters übernommen hat. Sondern auch gelernter Schreiner. Wände, Decken und Möbel konnte er deshalb aus altem Holz, aber schnörkellos maßanfertigen; Ehefrau Regina sorgte mit bunten Kissen und Vorhängen für den letzten Schliff. Ein ähnlicher Mix sind unsere Sanitäranlagen, die sich maximal zwei Wohnwägen oder -mobile teilen. Durchlöcherte Metallschüsseln dienen hier als Lampen, Holzbretter mit Patina als Ablage. Eine Blechdose beherbergt die Klobürste. Kontrastprogramm dazu sind natursteinfarbene Kacheln, Glas und moderne Armaturen.
Ansonsten können wir alle Angebote des Hofes dank Glamping – Camping mit besonderen Extras – wie alle anderen Gäste nutzen: die große Liegewiese, den Spielplatz mit Riesen-Trampolin und Schaukel, den Kinder-Fuhrpark aus Gocarts und Tret-Traktoren und den Reitunterricht bei Kathrin, Korbinians Schwester. Gemeinsam mit ihr satteln wir nachmittags Alisia, Babius, Chilli und Fenja, die allesamt brav und zuverlässig sind. Zu viert geht es danach erst im Schritt hinunter zur nahen Leitzach, dann im Trab am kristallklaren Wasser entlang, schließlich im wilden Galopp durch den Wald wieder bergauf und auf schmalen Feldwegen zurück zum Hof. Dabei gibt vor allem Babius als ehemaliger Traber trotz seines stolzen Alters mit meiner Tochter auf dem Rücken so viel Gas, dass er nach der Rückkehr gar nicht mehr aufhören kann zu trinken. Wir fahren zur Erfrischung ins nahe gelegene Warm-Freibad nach Fischbachau. An der Kasse überlegen wir, mit welcher Vergünstigung von Kinder- bis Familienrabatt wir am besten fahren, kommen dann aber mit der Gästekarte gratis hinein.
Auch die Bergbahn, mit der wir am nächsten Morgen von Bayrischzell aus auf den 1838 Meter hohen Wendelstein fahren, kostet dank ihr weniger. In einer gelben Gondel schweben wir steil nach oben. Anschließend geht es auf einem gesicherten Weg mit bis zu 23 Prozent Steigung in Serpentinen bis zum Observatorium, von wo aus Wissenschaftler mit riesigen Teleskopen ins Weltall blicken können. Unglaublich, aber wahr: Wo heute ein schroffer Gipfel den Panorama-Blick auf die schneebedeckten Zentralalpen mit Höhen bis zum 3.700 Meter erlaubt, erstreckte sich vor 250 Millionen Jahren der Tethys-Ozean. Als sich Afrika und Europa aufeinander zubewegten, wurde der Meeresboden wie ein Tischtuch zusammengefaltet, von 1000 Kilometer auf 150 zusammengestaucht und nach oben gestülpt. Entlang der Strecke verstecken sich deshalb Überreste von Korallen und versteinertem Meeresgetier im Fels, worüber 36 Hinweisschilder des GEO-Parks informieren. Nicht minder spannend ist unser Besuch in Deutschlands höchster Schauhöhle, die 2010 neu inszeniert wurde. Über 82 Stufen geht es in die Tiefe zur Kältefalle, wo auch im Hochsommer Schnee liegt, und weiter durch enge Gänge zum imposanten Dom, in dem ein Kreuz leuchtet. Bei 3 °C Durchschnittstemperatur kommen wir uns vor wie im Kühlschrank, tauen aber auf dem Rückmarsch zur Bergstation langsam wieder auf.
Die nächste Besonderheit wartet nur ein paar Kilometer weiter: 2007 eröffnete der ehemalige Ski-Rennläufer Markus Wasmeier ein hübsches Museumsdorf. Jahrhundertealte Höfe, die er an anderen Orten vorsichtig abtragen ließ, wurden auf hügeligen Urwiesen Balken für Balken, Stein für Stein wieder aufgebaut und zeigen heute mit viel Liebe zum Detail „Landleben – wie es einst war“. Für noch mehr Anschauungsmaterial sorgen Handwerker, die in regelmäßigen Abständen zeigen, wie man früher Schuhe flickte, Schnaps brannte oder Klingen schmiedete. In Gärten blühen typische Bauernblumen und Heilpflanzen, die emsige Bienenvölker umsummen. Vor dem Wirtshaus „Zum Wofen“ picken prachtvolle Hühner unter den Tischen, Gänse schnattern, eine alte Holzkegelbahn unter freiem Himmel lädt zum Spielen ein.
Was jetzt noch zu unserem Urlaubsglück fehlt, ist eine Stippvisite am nahen Schliersee. Neben einer Surfschule machen wir es uns um Schatten bequem, während meine Tochter und ihr Freund Stand Up-Paddeling-Bretter ausleihen und damit die kleine Insel umrunden. Nach einer Stunde kehren sie hungrig zurück und freuen sich wie wir auf Kuchen aus dem legendären Winklstüberl. Denn nirgendwo in Oberbayern sind die Stücke so groß, die Sorten derart sahnig-lecker. Während wir vor der Theke Schlange stehen, läuft uns beim Anblick von Bayrisch Vanillecreme Torte, Aprikosenschnitten und Käsestangen das Wasser im Munde zusammen. Doch statt uns diese Köstlichkeiten auf der rummeligen Terrasse servieren zu lassen, nehmen wir sie mit auf unseren Hof, um sie dort im Garten genüsslich verspeisen. Als Hintergrundmusik dazu gibt es Grillenzirpen und das Läuten der Glocken von 33 weidenden Kühen, die täglich Bio-Milch für Andechser Natur geben. Einziger Wermutstropfen ist die Rüge von Jungbäuerin Regina, dass wir ausgerechnet dort Kuchen gekauft haben, wo es alle Touristen tun. Statt dessen legt sie uns einen Besuch im Hofcafé unten an der Leitzach ans Herz. Und in der Tat: Neben einem kleinen Goldfischteich direkt am Gebirgsfluss stehen „Beim Melchern“ Tische und Bänke direkt auf der Wiese oder an die Hausmauer gekuschelt. Erst bringt Bedienung im bunten Dirndl selbst gebackene Vinschgauer und Schweizer Wurstsalat zu kaltem Radler, dann Kirschkuchen mit karamellisierter Mandelkruste und Milchkaffee– ein echter Geheimtipp!