Grausige und gemütliche Zeitreise
Mit Nachtwächtern durch dunkle Gassen streifen, das Hexenmuseum besuchen oder das Naturphänomen „Schwarze Sonne“ bestaunen? Dazu gibt’s jede Menge Natur, Wattenmeer und herbstliche Stimmung obendrauf. Unsere Autorin Nadine kam völlig verzaubert von ihrem Dänemark-Trip zurück!

Es war eine Reise der Superlative: Von Esbjerg, der größten Stadt an Dänemarks Nordsee fuhren wir nach Ribe, der älteste Stadt des Landes. Die Atmosphäre in Ribes mittelalterlicher, charmanter Altstadt war für Eva und mich wie eine kleine Zeitreise. Beim Schlendern über das Kopfsteinpflaster fühlten wir uns in eine alte, faszinierende Zeit versetzt. Überall erzählen alte Gebäude und Tafeln die Geschichten einer stolzen Vergangenheit, die bis ins Jahr 710 reicht. Hier starteten einst mutige Wikinger auf ihren Holzschiffen, um Handel mit ganz Europa zu treiben und um die Welt zu erkunden. Ribe hat ganz viel Hygge zu bieten: In der gemütlichen Fußgängerzone, den historischen Häusern und vielen kleinen Cafés und Shops mit dänischen Design-Stücken hätten wir locker den ganzen Tag verbummeln können. Untermalt wird die Atmosphäre von dem sanften Rauschen der Wassermühlen und dem Glockenschlag des Doms.

Doch der Ort ist gemütlich und grausig zugleich. In Ribes bedeutendster Zeit, dem Mittelalter, wurde ja schnell mal ein Finger oder Kopf abgehackt oder Frauen ins prasselnde Feuer geworfen. Also starten wir mit …
Halloween-mäßigen, wahren Geschichten
In der engen, Kopfstein-gepflasterten Gasse Sortebrødregade befindet sich das Hex! Museum. Mit modernster Technik im uralten Gebäude erfährt man ganz viel über die düstere Welt des Hexenwahns, der im 16. und 17. Jahrhundert durch Europa zog. Die Angst vor Hexen eskalierte in grausamen Hexenprozessen, die das Leben vieler Unschuldiger forderten. Ribe war das Herz dieser schrecklichen Ereignisse in Dänemark, und das Museum liegt mitten dort, wo der dramatische Prozess gegen Maren Spliids stattfand – eine Schneiderin, die 1641 auf dem Scheiterhaufen endete. Wahnsinnig gruselig, aber auch eindrucksvoll! Vor allem die originalen Gegenstände, wie zum Beispiel ein großes, schweres Buch über Magie und Hexerei, Zaubersprüche und Hexen-Rezepten von 1620, das dort ausgestellt ist (neben Daumenschrauben, Scherben von Hexenkesseln und vielem mehr). Das Museum schafft es auf eindrucksvolle Weise, spannende historische Fakten zu vermitteln und eine stimmungsvolle Atmosphäre dieser finsteren Zeit lebendig werden zu lassen.
Info: www.hexmuseum.dk, Eintritt ca. 14 Euro für Erwachsene, Kinder frei.
Nachts durch dunkle Gassen ziehen …
… und dabei Geschichten aus finsteren Zeiten lauschen, kann man auf einer traditionellen Runde mit Ribes Nachtwächtern durch die alten Straßen. Auch, wenn dieser Hauptberuf ausgestorben ist, kleiden sich immer noch Männer mit der original Uniform. Mit einer Laterne in der einen und dem Morgenstern, einer furchteinflößenden Waffe mit Speerspitze an einer schweren Holzkugel in der anderen Hand nehmen sie Eva und mich mit durch Ribes Gassen. Natürlich nach Einbruch der Dunkelheit (zumindest im Herbst) um 20 Uhr.
Seit dem 14. Jahrhundert prägten die Wächter das Stadtbild Ribes, 1902 beendete der letzte Wächter seine Runde. 1935 brachte der Tourismusverein die Tradition zurück und seither ziehen die Wächter wieder durch Ribes Gassen. Zu jeder vollen Stunde stimmte der Wächter früher ein Lied an, um die Bewohner wissen zu lassen, sie sich sicher fühlen konnten. Auch unsere zwei Wächter singen immer mal wieder aus tiefster Brust, wenn sie uns nicht gerade mit Geschichten faszinieren oder auf interessante Details der Straßen deuten, wie zum Beispiel vor hunderten von Jahren eingeritzte Kreuze an Häusern, ein Symbol, das Hexenflüche abwehren soll.
Die Arbeit der Nachtwächter früher war hart, der Lohn karg. Heute gibt es nicht einmal mehr den, denn die Führung ist kostenlos und dauert ca. 45 Minuten. Wer mit möchte, kommt einfach zum Restaurant Weis Stue (Torvet 2). Von Mai bis Ende Oktober starten die Touren um 20 Uhr, im Juni, Juli und August auch um 22 Uhr und in der Weihnachtszeit geht der Wächter auch an ausgewählten Tagen um 16 Uhr.
Sorgenfrei-Tipp: Bei den Nachtwächter-Geschichten geht es ganz schön zur Sache. Sie erzählen lebhaft von abgehackte und aufgespießten Piratenköpfe, Banditen, die am Galgen baumeln oder in hundert Stücke zerteilt werden. Gruselige Mittelalter-Geschichten eben. Wer kleinere Kinder dabei hat, bucht vielleicht lieber die englische Führung und übersetzt nur das, was keine Albträume verursacht.

Hygge in der Natur rund um Ribe
Ribe liegt nah am Wattenmeer, dem größten, flachsten und feuchtesten Nationalpark Dänemarks. Es handelt sich um ein einzigartiges Naturgebiet in Dänemark, das 2010 zum UNESCO-Weltnaturerbe ernannt wurde. Ein absolutes Naturparadies, nicht nur für Menschen, sondern vor allem für Vögel. Eva und ich machen uns am späten Nachmittag auf, um die „Schwarze Sonne“ zu beobachten.
Sort was …?!
„Sort Sol“ heißt übersetzt „Schwarze Sonne“ und beschreibt ein außergewöhnliches Naturspektakel, das sich jedes Jahr im Frühling und Herbst in Dänemark beobachten lässt. Dann verwandeln nämlich bis zu einer Million Stare den Himmel über der Marsch in eine schwebende, tanzende Wolke aus Vögeln. Direkt über den Wiesen, wo sie die Nacht verbringen werden, zeigen die Stare ein wahres Luftballett: Sie fliegen in dichten Schwärmen und formen Muster, die wie von Zauberhand ständig wechseln. Man kann sich viele Bilder und Videos von der Schwarzen Sonne ansehen – aber sie zu erleben und vor allem zu hören, ist magisch!

Info: Das Wattenmeer Zentrum bietet geführte Touren mit dem eigenen Auto oder im Bus an, unter Tel. +45 75 44 61 61 oder online hier.
Sorgenfrei-Tipp: Wer sich nicht einer geführten Vogeltour anschließen möchte, kann auch auf eigene Faust durch die Natur fahren. Wo viele Autos am Wegesrand mitten im Nichts parken, sind wahrscheinlich Stare zu sehen. Gute Möglichkeiten rund um Ribe sind: Østerå-Vogelturm. Bøge Allé. Østerå-Damhus (an Hauptstraße Nr. 24 in Richtung Haderslev an den Eisenbahnspuren), Vesterå-Bjerrumvej, Vilslev Enge.
Dänisches Design, Kunst und Wissen
Oh, was für eine herrliche Hygge-Zeit! Im Wattenmeerzentrum, ca. 13 Minuten mit dem Auto von Ribe entfernt, fühlten wir uns, als würden wir direkt in die beeindruckende Landschaft des Wattenmeeres eintauchen. Beim Highlight der Ausstellung, „Das Wattenmeer – 15 Millionen Zugvögel auf der Reise“, dreht sich alles um die Zugvögel, die hier jedes Jahr in Millionenstärke zusammenkommen. Und wieder einmal haben die Dänen es geschafft, eine perfekte Mischung aus Ästhetik, modernster Technik und Vermittlung von Wissen zu kreieren. Man hat das Gefühl, mitten in die riesigen Schwärme einzutauchen, ihre Bewegungen nachzuempfinden und gemeinsam mit ihnen weiterzureisen. Wir konnten am DJ-Mischpult Vogelstimmen-Raps kreieren, uns unter Hunderten kleiner, funkelnder Quadrate wie unter einem Starenschwarm fühlen, mit Papierfliegern die Flugtechnik der Vögel nachbauen und an Mikroskopen viele Wattbewohner ganz genau anschauen. Ich bin in den letzten 15 Jahren, seit ich Mutter bin, in unzähligen Naturkunde-Museen gewesen. Diese hat mir durch seine Ästhetik und Wissenschaft zum Anfassen mit am besten gefallen. Klare Empfehlung von Eva und mir, wir waren beide begeistert!
Info: www.vadehavscentret.dk, Eintritt Erwachsene ca. 18 Euro, Kinder ca. 7 Euro

In Sachen Transparenz: Wir bedanken uns ganz herzlich bei Visit Denmark für die tolle Organisation dieser Reise. Wir stellen nur Aktivitäten vor, die wir Familien & Freunden empfehlen würden.