Schwedische Sommernachtsträume auf einer Kachel
Was wissen wir von Schweden? Die Geschichten von Ronja Räubertochter, von Ferien auf Saltkrokan und natürlich Pippi Langstrumpf. Peterson und Findus: Alles Kinderkram? Auf ihrem Roadtrip durch Westschweden hat unsere Autorin Sonja und ihre Familie viel mehr erlebt und gesehen als das übliche Schweden-Klischee …
Auf unserem Esstisch liegt eine kleine bunte Kachel: darauf eine reizende Zeichnung von einem roten Holzhäuschen, einem Garten mit blühenden Bäumen, weißen Stühle, einer alten Wasserpumpe und einer kleinen schwarzen Katze. Im Hintergrund ein See oder das Meer mit einem kleinen Ruderboot darauf. Rechts unten eine Unterschrift: Lena Petersson. Wie kam sie dahin? Irgendjemand muss sie uns wohl geschenkt haben. Genau so stellen wir uns unseren Sommer in Schweden vor. Als wir, eine vierköpfige Familie aus Süddeutschland aber erstmals nach Norden aufbrechen, hagelt es Skepsis von überall: Regnet es da nicht dauernd? Sind da nicht viele Mücken? Wie zur Bestätigung gießt es auf unserem Zwischenstopp in Hamburg nur. Keine Chance eine Dampferfahrt im Hamburger Hafen zu unternehmen. Viel mehr als einen Besuch im Tropenaquarium des Hagenbecker Zoos ist nicht drin. Und auch nur deshalb, weil unser Hotel „Lindner Parkhotel Hagenbeck“, wie der Name schon sagt, direkt neben dem Tierpark liegt. Also fliehen wir weiter nach Nordosten, über die Öresundbron. Die Überfahrt von Puttgarden bis Roby in Dänemark und dann weiter durch Seeland über die Öresundbrücke ist ein Erlebnis für sich. Die dreispurige E 20 passiert den Kopenhagener Flughafen Kastrup, taucht die ersten Kilometer in den Tunnel unter dem Sund ab und führt anschließend auf der Brücke zur schwedischen Seite nach Malmö hinüber, wo wir bei Sonnenschein unseren ersten Schritt auf schwedischen Boden setzen. Zeit für einen kurzen Spaziergang durch die Gamla Staden, die Altstadt der umweltfreundlichsten Stadt Europas haben wir hier allemal. Der Tag ist lang, die Sonne steht hier im Norden noch hoch am Himmel und die ganze Bevölkerung ist in Feierlaune: Auf dem Stortorget vor dem Rathaus tanzen alle zur Musik der Live-Bands beim Malmöfestival.
Doch uns zieht es weiter Richtung Norden, in die Region Helsingborg, welche sich selbst „die freundlichste Region Schwedens nennt“. Entlang der sandigen Küsten von Skane fahren wir vorbei an hübschen Hafenstädtchen mitten hinein in die Stadt Helsingborg, dahinter liegt ein sanft gewelltes Mosaik aus Feldern und Wäldern. Unser erster Eindruck von Helsingborg ist der große Fährhafen, wo die Fähren vom dänischen Helsingor über die schmalste Stelle des Öresunds hinüberkommen. Direkt an der Mole checken wir ins Hotel „Marina Plaza“ ein, bevor wir noch einen kurzen Abendspaziergang entlang der neuen stylischen Hafenpromenade am Norra Hamnen machen. Die Nachtsonne taucht alles in Rosarot.
An unserem ersten Morgen in Schweden heißt es: „Let´s go biking!“ Miet-Fahrräder gibt es gleich im Bahnhof von Helsingborg. Denn Helsingborg ist Ausgangspunkt der 370 Kilometer langen Fahrradstrecke namens „Kattegat-Route“. Auf dem Weg liegen viele Highlights, die wir besuchen wollen. Gleich das erste erreichen wir über eine abenteuerliche Wendeltreppe: Das Dach des 38 Meter hohen mittelalterlichen Wachturms Kärnan. Von dort aus sehen wir die Öresundbrücke und in der Mitte des Sundes die Insel Ven, wo der Astronom Tyche Brahe sein Observatorium hatte. Dorthin werden wir auf der Rückreise einen Abstecher machen. Auf der anderen Seite der Meeresenge liegt das dänische Helsingör mit dem Schloss Kronborg, wo, nach William Shakespeare einst Hamlet auf dem Festungswall sprach: „Sein oder Nichtsein, das ist hier die Frage…“
Von hier aus geht es immer der Küste entlang vorbei an langen Stränden und dem schönen Fischerdörfchen Raa, dann über hügelige Wiesen und Felder bis nach Vallakra. Am Wegesrand liegt das „Tomantens Hus“, das Tomatenhaus. Haben wir unser Idealbild von Schweden hier bereits gefunden? Ein rot-weißes Landhäuschen. Im Obstgarten sitzen unter Apfelbäumen pastellfarben gekleidete Menschen, essen Kuchen. Kaffee und Holundersirup fließt in Strömen aus Steinkrügen. Kleine Mädchen in weiß-rosa Kleidchen tanzen zu den Liedern einer Sängerin mit blonden, langen Haaren. Eine typische, traditionelle schwedisches „Fika“. Bei uns heißt das einfach „Kaffee und Kuchen“. Was für ein Idyll! Ein Blick in die Speisekarte und die Gewächshäuser verrät uns warum wir im „Tomatenshus“ sind: Hier dreht sich alles um das rote Gemüse, von „Tomatsoppa“ bis „Miss Alice Rulltarta“. Im angeblich kalten Schweden züchtet Boel Wildmark, der sich selbst „Chili-Nerd“ nennt, über 50 verschiedene Tomaten- und Chillisorten und verarbeitet sie zu allerlei salzigen und süßen Köstlichkeiten.
Hier im Nordwesten Skanes, dem südlichsten Gebiet Südschwedens, entstand im 18. Jahrhundert die schwedische Töpferindustrie aufgrund der reichen Ton-und Kohlevorkommen. Als man anfing, die Kohlefelder abzubauen, stieß man dabei auf das Nebenprodukt Ton. Seither gibt es die Steingutfabrik Wallakra, inmitten eines herrlichen Naturschutzgebietes, in das wir vom Tomatenshus in einer knappen Stunde radeln. Asa Orrmell, hält die Tradition des Steingutbrennens aufrecht. Sie erwartet uns schon zu einem kleinen Töpferkurs. Während ihre Hände auf der Drehscheibe den weichfeuchten Ton umrahmen, entstehen Vasen, Teller, Tassen in harmonischen Formen. Auch uns ermuntert sie es auszuprobieren. Am Ende können wir stolz sein auf unsere vier kleinen Vasen aus braunem Ton. Auf die Unterseite ritzt Asa noch unsere Vornamen und stellt die Gefäße in ein Regal zwei Wochen zum Trocknen. Erst dann wird sie unsere Vasen in das riesige 200 Jahre alte Ofenhaus stellen und bei 1300 Grad drei Tage und drei Nächte zu Steingut backen. So lange können wir leider nicht warten „Sobald eure Vasen fertig sind, schicke ich sie euch nach Deutschland zu,“ verspricht sie, bevor wir per Fahrrad, wieder den Rückweg nach Helsingborg antreten.
Am nächsten Tag führt uns unsere Reise Richtung Norden über die wunderschöne Felsenlandschaft der Kulla-Halbinsel zum Naturreservat Kullaberg. Schon von weitem sehen wir den riesigen Felsen in der Brandung am äußersten Südwesten von Skane. Hier könnte man so viel unternehmen, sicherlich mehrere Tage verbringen mit Wandern oder Baden oder Bummeln in dem Städtchen Höganäs. Uns bleibt nur ein wenig Zeit auf den Felsen von Akersberget herumzuklettern, bis zum Leuchtturm und von dort hinunterzuschauen auf die gewaltige Brandung des Kattegat bis hinüber nach Dänemark, denn wir wollen noch mehr Felsen in der Brandung sehen: Hovs Hallar, eine felsige Küstenlandschaft, am nördlichsten Zipfel der Bjäre-Halbinsel, wo wir, wie schon viele Wanderer vor uns Steinmännchen zwischen den Felsen am Meer bauen.
Wo die weite Laholmsbukten nach Süden von der Bjäre- Halbinsel begrenzt wird, liegt Bastad, ein trubeliges, fast mondänes Ferienstädtchen. Viele nennen es das „ schwedische St.Tropez“. Dort wollen wir heute übernachten und den nächsten Tag in Ruhe genießen. Beim Bummeln über den Hafen, vorbei an traditionsreichen Hotels und kleinen, bunten Holzhäuschen. Ein Hauch von Amerikas Maine-Küste scheint hier zu wehen und vom Tennisstadion, einem der bekanntesten Europas hören wir die Rufe der Fans, die ihren Tennis-Stars zurufen. Unser Hotel liegt direkt am Strand und ist ganz auf Familien ausgerichtet. Endlich haben wir Zeit zum Baden, Sandburgenbauen und Genießen – vor allem das gute Essen in unserem Hotel.
Am nächsten Tag wird’s wieder etwas sportlicher. Mountain-Biken ist angesagt in der schönen Landschaft von Hallandsasen. 15 Kilometer von Bastad und ein Kilometer südlich der Ortschaft Vaxtorp, liegt im Örtchen Vallasen, mitten im tiefen Wald, fast wie bei Hänsel und Gretel, die Pension „Vallasens Värdhus“ der Familie Oskarsson. Rote Holz-Häuschen gruppieren sich um das Haupthaus vor dem schon Lonnie Jensen mit seinen Rädern auf uns wartet. Über Stock und Stein und sogar richtige „Berge“ geht es hinauf, denn die Region Hallandsrasen ist ein gut 200 Meter hoher Höhenzug, wo es sogar Skilifte gibt. Zwei Punkte stehen noch auf unserem Programm: Surfen und Städtetour.
Weiter geht es deshalb immer weiter Richtung Norden durch Falkenberg, eine der ältesten mittelalterlichen Städte Hallands, am Meer entlang. Der Weg in das Surfermekka Varberg führt uns vorbei an einem Vogelreservat und pittoresken Fischerdörfern. Es weht ein scharfer Wind. Am Strand von Apelviken im Süden der Stadt liegt ein Hauch von Californien. Braungebrannte Surfer, bunte Boards und Segel wohin man blickt, coole Musik klingt aus den Strandbars und das gleichnamige Feriendorf: Apelviken ist unser nächstes Ziel.
Was sich von außen als riesiger Campingplatz präsentiert ist eher ein Clubdorf. Wir checken ein in einem der roten Ferienhäuschen. Von hier aus werden wir nun sechs Tage Süd-Westschweden erkunden. Ein erster Eindruck führt uns mit dem Fahrrad, entlang der 1912 angelegten Promenade nach Varberg vorbei am Leuchtturm Subbe Fyr, dem ehemaligen Kurhaus bis zur mächtigen Festung. Das ehemalige Kurzentrum ist ein Zeugnis von Varbergs Vergangenheit als Kurbetrieb für Tuberkulosekranke, die trutzige Festung am Ende der Bucht, ein Vermächtnis aus Varbergs strategischer Bedeutung aus dem 13. Jahrhundert. Am Hafen, direkt hinter der Festungsmauer glaubt man sich plötzlich in 1001 Nacht. Wenn die Sonne hinter dem, orientalisch verschnörkelten Kurhaus von 1883 untergeht muss man sich wirklich besinnen wo man ist. Orient oder Okzident – das ist hier die Frage…
Die Tage in Apelviken in unserem roten Ferienhäuschen, das dem auf unserer Kachel ähnlich ist vergehen im Fluge, dem Besuch der Festung und dem Schloss Tjolöholms, mit einem Surfkurs im Surfcenter unserer Ferienanlage, der aber wegen zu viel Wind abgeblasen werden musste. Eines Tages aber radeln wir die Kattegart-Radroute in Richtung Björkängs Havsbad. An einem kleinen Hofladen bleiben wir, wie gefesselt stehen. Es sieht aus wie auf unserer Kachel! Im umgebauten Stall des Häuschens sitzt eine blonde Frau und malt Bilder von Katzen in Gieskannen, Katzen vor roten Häuschen und die Landschaft Westschwedens. Ihr Name: Lena Peterson. Unsere Reise ist an ihrem Ziel angelangt. Was uns dennoch weitertreibt ist ein Ausflug noch weiter Richtung Norden, nach Göteborg. Einen ersten Eindruck von dieser hippen Stadt bekommen wir vom „Lippenstift“ aus. Doch das ist eine andere Geschichte.
Text und Bilder: Sonja Vodicka
Wir bedanken uns ganz herzlich bei „visit sweden“ für die freundliche Unterstützung dieser Reise (Werbung, da Pressereise). In Sachen Transparenz: Wir stellen nur Destinationen, Aktivitäten und Hotels vor, die wir selbst getestet haben und die wir für Familien geeignet finden.
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