Neue Abenteuer für Thabo!
In Kürze erscheint der dritte Teil der Thabo-Reihe von Kirsten Boie, die wie keine zweite mit Leichtigkeit und Tiefsinn erzählt. Ein Interview zum neuen Kinder-Krimi über den afrikanischen Jungen Thabo aus Swasiland und was sie zur Geschichte inspirierte …
In Ihrer Kinderkrimi-Serie geht es um den afrikanischen Jungen „Thabo“. Was mögen Sie selbst an diesem Jungen „Thabo“. Was mögen Sie selbst an diesem Buch besonders, was macht es aus Ihrer Sicht aus?
“Thabo“ ist der Versuch, eine spannende und hoffentlich auch lustige Geschichte aus der Sicht eines afrikanischen Jungen „im besten Alter“ zu erzählen. Spaß gemacht hat mir vor allem sein Blick auf die Welt, der aufgrund seiner Erfahrungen ja in manchem ganz anders sein muss als der eines deutschen Jungen – besonders sein Blick auf Touristen und Europäer überhaupt. Und ich hatte viel Vergnügen daran, mich innerhalb der Konventionen des traditionellen Kinderkrimis (Kinder sind schlauer als Erwachsene, Kinder sind schlauer als die Polizei…) zu bewegen – nur eben dieses Mal in Afrika.
Welche Recherchen sind dem Schreiben vorangegangen?
Recherchen im engeren Sinne eigentlich überhaupt nicht. Seit 2007 unterstütze und betreue ich ja ein Aids-Waisenprojekt in Swasiland (43% aller Kinder sind dort an ihrem 15. Geburtstag ohne Eltern) und reise jedes Jahr mindestens einmal dorthin. Neben Kooperationsgesprächen, die ich für unser Projekt dort regelmäßig mit anderen Hilfsorganisationen (wie UNICEF, Ärzte ohne Grenzen) und Ministerien führe, fahre ich dann in Begleitung der Swasi-Mitarbeiter vor allem durch die abgelegenen Regionen des Landes, wo unser Projekt insgesamt 100 Waisenbetreuungspunkte für ca. 4000 Kinder betreibt. Die unglaublichen (im Wortsinne) Erfahrungen, die ich dort einfach bei der Arbeit regelmäßig mache, haben ja überhaupt erst zu den Ideen für das Buch geführt. Zudem lese ich täglich eine der beiden Tageszeitungen des Landes online* , um immer aktuell auch über die problematische politische Situation im südlichen Afrika informiert zu sein.
Sie schreiben in Ihrer Danksagung, dass Thabo und andere Figuren Vorbilder haben. Welche Kinder haben Sie inspiriert?
Wie bei meinen Büchern über deutsche Kinder gibt es keine eindeutigen Vorbilder. Aber auf meinen Reisen durch Swasiland bin ich im Laufe der Jahre Hunderten von Kindern begegnet, und mit den größeren von ihnen konnte ich mich, wenn auch nicht allzu komplex, auf Englisch verständigen. (Mein siSwati geht bis heute nicht über Begrüßungs-, Dankes- und Entschuldigungsfloskeln hinaus!) Aber die Tapferkeit und gleichzeitige Fröhlichkeit dieser Kinder haben mich enorm beeindruckt. Ich fand einfach, sie haben eine Geschichte verdient, in der sie nicht immer nur als passive und bemitleidenswerte Opfer erscheinen, sondern als tatkräftig, gewitzt, clever und bewundernswert.
Sie erzählen vom Alltag der Kinder in Swasiland. Was wird jungen Lesern fremd sein? Und was möchten Sie ihnen nahe bringen?
Fremd sein wird den Lesern hier vermutlich fast alles, nicht nur die exotische Kulisse! Auch die unbeschreibliche Armut, der Hunger, die Tatsache, dass die Kinder ihre Eltern verloren haben… Aber ich hoffe ein bisschen, dass die Leser – neben ordentlich viel Spaß bei der Lektüre, denn Thabo ist ja alles andere als ein trauriges Buch! – hinterher nicht mehr automatisch dieses deprimierende Überlegenheitsgefühl gegenüber afrikanischen Kindern (und Erwachsenen) haben, sondern dass sie vielleicht sogar wünschen, bei Thabo, Sifiso und Emmas Detektivarbeit mitmachen zu können. – Die weiße Emma, Tochter der Lodge-Besitzerin, habe ich übrigens gebraucht: Zum einen, um auch ein Mädchen in der Riege der Detektive zu haben, zum anderen, um europäischen Kindern einen noch leichteren Zugang zu schaffen, und drittens, um durch Thabos Augen manche der Verhaltensweisen seiner Freundin als mindestens ebenso skurril wahrzunehmen, wie die Kinder hier es vielleicht manchmal in Bezug auf sein Verhalten tun werden. So erleben sie dann vielleicht ganz nebenbei, wie sehr unsere Wahrnehmung und unser Verhalten kulturell geprägt sind.
Wann hatten Sie die erste Idee zu „Thabo“?
Lange bevor ich schließlich mit dem Schreiben angefangen habe – darum hatte ich zu dem Zeitpunkt auch schon einen ganzen Koffer voller Ideen, so dass ich in diesem Fall tatsächlich von vornherein sagen konnte, es wird eine Serie. Mein Problem war eher mich zu entscheiden, um welchen Fall es im ersten Band gehen sollte. Viele Jahre lang habe ich ja gedacht, ich hätte kein Recht, so ein Buch zu schreiben, egal wie viele Ideen ich hatte: Kinderbücher über Afrika müssten aus Afrika selbst zu unseren Kindern kommen. Nachdem ich inzwischen aber weiß, dass das zumindest in nächster Zeit kaum passieren wird, gleichzeitig aber wichtig finde, dass unsere Kinder Afrika nicht immer nur als Kontinent der Trostlosigkeit erleben, habe ich mich dann an die Arbeit gemacht.
Sie haben 2013 bereits ein Buch mit Geschichten aus Afrika veröffentlicht. Wie waren die Reaktionen auf „Es gibt Dinge, die kann man nicht erzählen“?
Für mich waren die Reaktionen der Jugendlichen – es ist ja kein Kinderbuch – sehr, sehr beeindruckend. Es gab eine ungeheuerliche Bereitschaft, sich auf die Geschichten der Aids-Waisen einzulassen und sich mit ihnen auseinander zu setzen, selbst bei eindeutig eher buchfernen Jugendlichen – vermutlich, weil die Erzählungen ausnahmslos einen auch im Kindersinn „wahren“ Hintergrund haben. Aber ich habe gleichzeitig auch erlebt, dass diese Geschichten, die ja von großem Elend erzählen, eben nicht primär wahrgenommen werden als Geschichten über die Stärke dieser Kinder, sondern regelmäßig einen, ich nenne es mal „Überlegenheitsreflex“ ausgelöst haben: Großes Mitleid, aber nicht etwa gekoppelt mit Bewunderung dafür, wie diese Kinder ihr Leben meistern, sondern mit Äußerungen wie: „In Afrika ist doch immer alles Mist“, „Die kriegen da ja nichts auf die Reihe“ oder „Das sind doch alles Opfer“. Genau diese (nachvollziehbare – denn was erfahren diese Jugendlichen über Afrika?) Haltung wollte ich dann mit „Thabo“ konterkarieren.
Sind wir wirklich so viel ernster und weniger fröhlich, wie Thabo die Europäer beschreibt?
Ach, wir sind ja auch nicht alle gleich! Aber mich verblüfft immer wieder, wie ungeheuerlich viel in Swasiland auch unter für uns unvorstellbaren Bedingungen gelacht wird. Vielleicht führt ein Leben in großem Elend dort dazu, jede noch so kleine Gelegenheit begierig zu nutzen, um sich zu freuen, Spaß zu haben, zu lachen. Davon könnten wir dann eine Menge lernen.