Zu Besuch bei Gangstern, Robotern und Dinosauriern – Chicago mit Kindern
Taugt eine amerikanische Großstadt für einen Urlaub mit Kindern? Als wir die Möglichkeit erhielten, unsere Wohnung in Hamburg für zwei Wochen gegen ein Haus in Chicago zu tauschen, stellten wir uns genau diese Frage. Wie würden unser Sohn (5) und unsere Tochter (1) die sieben Stunden Zeitunterschied verkraften? Wären Ferien am Strand nicht viel erholsamer? Was würden wir mit ihnen vor Ort unternehmen?
Nach 14 Tagen in einer der interessantesten Städte der Welt sind wir froh, unsere Bedenken beiseite geschoben zu haben. Der Jetlag wurde nur für Mama zum Problem, aber dafür gibt es in den USA ja Drugstores, die freiverkäuflich alles gegen alles anbieten. (Jeder Drogendealer wäre neidisch auf dieses Sortiment). Auf das Beach-Feeling mussten wir gar nicht verzichten, denn der Lake Michigan, an dem Chicago liegt, sieht nicht nur aus wie ein Meer, sondern hat auch jede Menge tolle Strände. Und zu erleben gab es fast mehr, als wir in zwei Wochen geschafft hätten. Hier unsere Top 10 für Unternehmungen in Chicago.
1. Maggie Daley Park
Eigentlich bin ich kein Spielplatz-Fan. In unserer Heimatstadt Hamburg gibt es sogar einen sehr kleinen, eingegitterten Platz mit Sandkasten und einer halben Rutsche, den wir Mamas gerne als „Müttergefängnis“ bezeichnen, so dämlich kommen wir uns in diesem fantasielosen Areal vor. Der 2014 in Downtown eröffnet Maggie Daley Park hingegen würde den Preis als bester Spielplatz der Welt gewinnen, gäbe es diesen Wettbewerb (darüber sollten Städteplaner gerne mal nachdenken). Für die größeren Kinder gibt es Kletter- und Boulderwände, ein 18-Loch-Minigolfplatz und eine Rollschuhbahn, die im Winter zur Schlittschuhbahn wird. Die Kleineren gehen in den Play Garden, dessen Gestaltung von „Alice im Wunderland“ sowie „Charlie und die Schokoladenfabrik“ inspiriert wurde. Schiffe, die zu schweben scheinen, Rutschen bis in den Himmel, Hängebrücken, auf denen sich jeder wie ein Ritter vorkommt. Der Maggie Daley Park ist eine Burg, errichtet aus Spaß.
www.maggiedaleypark.com
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2. Field Museum und Sheddaquarium
Naturkundemuseum klingt für Kinder – und ehrlicherweise selbst für Erwachsene – nach eingeschlafenen Füßen. Wer möchte sich schon gerne verstaubte, ausgestopfte Exponate in Glaskästen ansehen, auf denen sich die Patschehände Generationen von gelangweilten Schulkindern verewigt haben? Das Field Museum ist allerdings ganz anders. Ein Stück Jurassic Park verpackt in einem riesigen Gebäude, das an die Akropolis (in heile) erinnert. Gleich in der Eingangshalle begrüßt die Besucher ein T-Rex. Der Räuber hört auf den Namen Sue und ist das vollständigste, besterhaltene und größte Skelett dieser Dinosaurierart. Von seiner Spezies lernt man später noch einige mehr kennen und immer wieder werden auch die Erwachsenen von plötzlichen „Aha!“-Momenten überrascht. Wieder was gelernt. Warum etwa die Vögel auf den Galapagosinseln blaue Füße und die dortigen Schildkröten Panzer mit einem speziellen Halsausschnitt haben oder wie man einen Pharao beerdigt – muss man vielleicht nicht wissen, ist aber wahnsinnig interessant. Da die Sammlung zu einer der größten der Welt gehört, sollte man relativ viel Zeit einplanen. Wer danach noch nicht genug von Biologie hat, kann gleich nebenan ins Shedd Aquarium gehen, um Seesterne zu streicheln, Belugawalen zuzuhören, ein U-Boot zu steuern oder mit Pinguinen zu rutschen.
www.fieldmuseum.org; www.sheddaquarium.org
Unser Tipp, wenn Sie Geld sparen möchten: Besorgen Sie sich den City-Pass! Er vereint preiswerte Tickets zu den wichtigsten Sehenswürdigkeiten. So werden die Besuche nicht nur billiger, man darf häufig auch an den langen Warteschlangen vorbei gehen. Beim Willis Tower zum Beispiel haben wir anstatt 45 nur fünf Minuten warten müssen. de.citypass.com/chicago
3. Willis Tower
Wer Höhenangst hat, sollte nicht mal in seine Nähe kommen. Schon von unten fragt man sich, wer wohl so verrückt wäre, so weit oben zu arbeiten oder gar zu wohnen. Aber gut. Viele wollen ja hoch hinaus. Hier kann es jeder. Der Willis Tower (bis 2009 Sears Tower genannt) misst 442 Meter und war lange Zeit der höchste Wolkenkratzer der Welt. Wer die 103 Stockwerke mit einem der schnellsten Fahrstühle der Welt hinauf zum Skydeck düst, wird mit einer gigantischen Aussicht belohnt, an manchen Tagen kann man bis zu 80 Kilometer weit blicken. Ganz Mutige trauen sich auf die gläsernen Balkone „The Ledge“ und üben sich im Schweben. Unsere Tochter konnte davon gar nicht genug bekommen, wir mussten sie von der Plattform geradezu wieder runterziehen.
Beim Bau hatte der Architekt angeblich an ein geöffnetes Softpack Zigaretten gedacht, bei dem einige Zigaretten weiter aus der Packung herausragen als andere. Durch sein außergewöhnliches Design sieht das Hochhaus je nach Standpunkt in der Stadt ganz anders aus. Aber hoffentlich wird es nie angezündet…
www.theskydeck.com
4. Beach-Life
Es gibt Sand, Baby! 33 verschiedene Strände kann die Stadt am Michigansee vorweisen, einer der beliebtesten ist der North Avenue Beach mit Liegen-und Schirmverleih, Imbissbuden, Volleyballfelder und einem Strandhaus in Form eines Ozeandampfers. Wer will, kann auch eine Yoga-Klasse besuchen. Oder dabei zusehen, wie andere ihre Muskeln bewegen. Die Küste wird von Rettungsschwimmern bewacht, die überall zu sein scheinen. Baywatch-Alarm! Die Boys und Girls nehmen ihren Job verdammt ernst, sobald sich ein Badender zu weit vom Strand entfernt, wird er sogleich wieder zurück gepfiffen. Wer hier wirklich Schwimmen will, kommt nicht weit. Familien mit Kindern sind für diese Vorsicht jedoch dankbar. Ebenfalls gut: Niemand kennt das Wort Kurtaxe. Am Oak Street Beach findet man zwar keine Parkplätze, weil er so nah an der Stadt liegt, dass man während des Sonnenbadens einen Shopping-Ausflug zur berühmten Magnificent Mile machen kann. Doch es gibt ja die U-Bahn. Sehr schön fanden wir auch den Montrose Beach, dort kann man auch Kajak fahren.
Vom Strand aus hat man eine Sehenswürdigkeit stets vor Augen: den Lake Michigan. Wer es nicht besser weiß, hält ihn für ein Meer. Fast 500 Kilometer lang und 190 Kilometer breit, das Wasser scheint uferlos zu sein. Nicht zu sehen ist außerdem die gigantische Tiefe des Sees von bis zu 300 Metern. Die meisten Wolkenkratzer der wunderschönen Skyline könnte man auf den Grund des Bodens stellen, sie wären komplett verschluckt.
www.cpdbeaches.com
5. Navy Pier
Im Zweiten Weltkrieg trainierten hier die Marinepiloten. Seit 1995 jedoch geht es an diesem historischen Ort um Erfreulicheres, da ließen die Stadtherren den Pier zu einer Vergnügungsmeile umgestalten. Das 60 Meter hohe Riesenrad wurde genauso gebaut, wie es auf der für die Entwicklung der Stadt Chicago sehr wichtigen Weltausstellung von 1893 ausgesehen hat. Die Kinder können außerdem Karrussel oder Riesenrad fahren, Minigolf spielen, Boote steuern oder ins IMAX Theater gehen. Der Navy Pier ist die beliebteste Attraktion im Mittleren Westen der USA; acht Millionen Besucher kommen jährlich. Es kann also voll werden. Besonders interessant ist das Children’s Museum gleich am Anfang des Piers. Hier dreht sich alles um Interaktivität. Unser Sohn hat bei der Feuerwehr mitgearbeitet und im Supermarkt eingekauft, während unsere Tochter ihr Auto waschen wollte und den Willis Tower aufbauen.
Wer Hunger hat, findet jede Menge Fressbuden am Pier; schöner fanden wir es jedoch in Harry Caray’s Tavern direkt neben dem Children’s Museum. Allerdings laufen auch dort wie fast überall Fernseher, also besser nach einem Platz auf der Terrasse fragen.
www.navypier.com
6. Tour zu Lande und zu Wasser
Es gibt zwei tolle Arten, sich durch die Häuserschluchten der Großstadt zu bewegen und dabei die verschiedenen Geschichten zu den teilweise extrem beeindruckenden Gebäuden zu erfahren. Wie der historische Wasserturm den großen Brand von 1871 überlebte, weshalb die griechische Götting auf dem Chicago Board of Trade kein Gesicht hat, wo es im Wrigley Buildung die beste Schokolade der Stadt gibt oder warum das Carbide and Carbon Building wie eine Champagnerfalsche aussieht – das erfährt man zum einen bei einer Big Bus Tour. Die kennen wir bereits aus anderen Großstädten; an bestimmten Sehenswürdigkeiten kann man aussteigen und später einen anderen Bus zur Weiterfahrt nutzen. Unsere Kindern lieben es, bei diesen Doppeldeckerbussen oben zu sitzen und kein Dach über dem Kopf zu haben. The Sky is the limit. Und endlich sind sie mal größer als alle anderen.
Eine andere Perspektive auf die Gebäude ergibt sich vom Fluss aus. Dabei gleitet man durch einen Canyon aus Stahl und Glas und bekommt mehr und mehr Respekt vor Architekten und besonders Statikern. Unsere River Cruise startete direkt am Anleger beim Trump Tower und hatte einen architektonischen Schwerpunkt, es gibt aber viele weitere Themen. Den Kindern ist es ohnehin egal, was erzählt wird, sie spielen einfach nur Kapitän.
www.bigbustours.com; www.wendellaboats.com
7. Gangster-Treffen
Chicago ohne Al Capone wäre undenkbar. Sowieso die Goldenen Zwanziger – was damals während der Prohibitionszeit in der Stadt los war, ist filmreif. Vor der Reise also am besten „Die Unbestechlichen“ mit Kevin Costner, Robert de Niro und Sean Connery gucken, schon ist man bestens auf die größten Legenden der Stadt vorbereitet. Al Capone, Johnny Torrio, Machine Gun Kelly, John Dillinger, der Genna Clan usw. All diese Bösewichte lernt man bei einer Gangster Tour zu den Hochburgen der wilden Ära kennen. Bei unserer „Untouchables-Tour“ waren die Guides selbst als Gangster verkleidet und benahmen sich dementsprechend. Erstklassiges Theater. Vielleicht aber nur für Kinder geeignet, die von Räubergeschichten keine bösen Träume bekommen oder noch nicht genug Englisch beherrschen, als dass sie die ganzen Grausamkeiten, die etwa beim St. Valentine Massaker passierten, verstehen können.
www.gangstertour.com
8. Lincoln Park Zoo
Das Beste gleich vorweg: Der Zoo kostet keinen Eintritt. Oh, dann ist er bestimmt nur klein und hat keine besonderen Tiere? Von wegen. Lincoln Park Zoo ist ein weltbekannter zoologischer Garten im historischen Lincoln Park. Die Tiergehege sind sehr innovativ und für Kinder ideal gestaltet, so nah sind wir Bären oder Ottern noch nie gekommen! Veterinärmediziner, Ökologen, Biologen, Endokrinologen und Epidemiologen betreiben hier eines der größten Arterhaltungs- und Wissenschaftsprogramme des Landes. 3,5 Millionen Besucher pro Jahr danken es ihnen. Rund um den Zoo liegen tolle Gärten zum Spazierengehen, direkt nebenan befinden sich auch ein großer Spielplatz und ein tolles Restaurant: R.J. Grunts. Im Inneren sieht es nach 70ern aus, das Essen kommt aber extrem frisch auf den Tisch bzw. die Bar. Es gibt nämlich eine riesige Salatbar. Das Motto des sympathischen Ladens lautet: Lettuce entertain you.
www.lpzoo.org; www.rjgruntschicago.com
9. Museum of Science and Industry
Chicago hat mehr als 40 Museen, aber wenn Sie nur eines besuchen wollen, dann das hier! Schon seit 1933 ist es eine weltberühmte Institution und ein Vorbild für alle interaktiven Museen der Welt. Wir standen direkt vor einem echten Tornado, haben erlebt, wie sich Tsunamis bilden, durften Roboter bauen, das Kommandomodul von Apollo 8 (dem ersten bemannten Flug zum Mond ) bestaunen, durch ein deutsches U-Boot aus dem Zweiten Weltkrieg gehen und mit eigenen Augen sehen, wie die Gletscher schmelzen. Donald Trump müsste nur ein einziges Mal in dieses Museum gehen, er würde den Klimawandel endlich begreifen.
Kleiner (und günstiger) aber genauso erlebnisreich fanden wir es im Peggy Notebaert Nature Museum. Als ältestes Museum der Stadt sind manche Ausstellungsstücke tatsächlich 160 Jahre alt. Aber keine Angst, verstaubt ist hier nichts. Überall können die Kinder ganz nah ran an Schildkröten oder Schlangen, sie finden jede Menge Spiel-Orte und erleben einen echten Höhenflug im sogenannten Butterfly Haven. Etwas Schöneres habe ich in Museen selten gesehen. In einem großen Tropenhaus fliegen rund 1000 verschiedene Schmetterlinge herum, darunter sehr seltene Arten. Unsere Kinder konnten sich sogar anschauen, wie sie aus den Kokons schlüpfen. Sollten Sie Chicago übrigens im Winter besuchen, ist der Butterfly Haven einer der wärmsten Orte der Stadt. Ja, dieser Hinweis hat seine Berechtigung; in Chicago kann es nämlich sehr, sehr kalt werden.
www.msichicago.org; www.naturemuseum.org
10. Pizza essen
Den Italiener um die Ecke gibt es in jedem deutschen Dörfchen, und Pizza an sich ist ja eigentlich nichts Außergewöhnliches. Außer in Chicago. Da kommt sie ganz anders daher, eher wie eine herzhafte Torte. Hat auch genauso viele Kalorien, muss man aber mal gemacht haben. Die Kinder werden es Ihnen mit einem fettverschmierten Gesicht danken. „Deep dish“ heißt die Zubereitungsart, bei der der dicke Teig zunächst mit Käse, Gemüse und Fleisch belegt wird, darüber kommt dann erst die Tomatensoße. Es dauert mindestens 30 Minuten, diesen köstlichen Brocken zu backen. Richtig lecker und kinderfreundlich fanden wir es bei Lou Malnati’s Pizzeria. 46 Filialen gibt es davon in Chicago, an einer werden Sie sicher mal vorbeilaufen. Yummi.
www.loumalnatis.com