(K)Urlauben wie anno dazumal
Prachtvolle Bauten, Heilquellen, ruhmreiche Geschichte: Das westböhmische Bäderdreieck ist perfekt für romantische Zeitreisen. Antoinette Schmelter-Kaiser war mit ihrer Tochter in Karlsbad, Marienbad und der lohnenswerten Umgebung unterwegs.
Die Eingabe der Adresse Vřídelní 92/21 klappt problemlos. Direkt dorthin fahren kann ich laut Navi allerdings nicht. Als ich es auf einen Versuch ankommen lassen, wird mir der Grund für die verwirrende Information klar: Das Astoria Hotel & Medical Spa liegt an einer Fußgänger-Promenade, die Autos nur für den Lieferverkehr oder bei An- und Abreise ansteuern dürfen. Also laden meine Tochter und ich schnell das Gepäck vor dem vierstöckigen Jahrhundertwende-Gebäude aus, checken ein und stellen den Wagen auf einem Parkplatz in der Nähe ab. Autofahren müssen wir in der nächsten Zeit ohnehin nicht mehr. Das Zentrum von Karlsbad lässt sich von unserer Unterkunft aus leicht erlaufen.
Schmuckstück mit Säulen, Stuck und Statuen
Der Blick aus dem Fenster unseres hübschen Zimmers ist ein Vorgeschmack auf das, was uns dort erwartet. Vis à vis liegt die Mühlbrunnkolonnade: ein 132 Meter langes, gemauertes Schmuckstück mit Säulen, Stuck und Statuen, das Ende des 19. Jahrhunderts nach Plänen des Architekten Josef Zítek gebaut wurde. In dieser Zeit boomte im Kurzentrum von Karlsbad die Bautätigkeit, um den Ansprüchen illustrer Gäste zu genügen. Kaiser, Könige, Komponisten, Schriftsteller, Wissenschaftler, Bankiers und Aristokraten kamen – angezogen vom Ruf der Heilquellen, die eine wohltuende Wirkung auf den Magen- und Darmtrakt, aber auch Stoffwechsel und Bewegungsapparat haben
Bummel mit Schnabelbecher
Besonders beeindruckend ist als größte von ihnen der „Sprudel“: Zwölf Meter hoch schießt seine Fontäne in einer Glashalle aus den 1970er Jahren; davor fließt Thermalwasser dampfend in das Flüsschen Teplá und lagert am Ufer eine dicke Schicht rötlicher Sedimente als Hinweis auf den hohen Eisengehalt ab. Den kann man nicht nur an der Farbe des Wassers erkennen, sondern auch schmecken. Ständige Begleiter bei einem Bummel durch Karlsbad sind ungewöhnliche Schnabelbecher aus Porzellan, mit denen sich Gäste an 15 Quellen bedienen können: Jede von ihnen hat einen eigenen Namen und eine andere Temperatur zwischen 14°C und 73°C; das dort unablässig sprudelnden Thermalwasser kommt aus einer Tiefe von bis zu 2.500 Metern und ist 30.000 Jahre alt.
Immer elegantere Belle Epoque-Bauten
Auf dem Weg entlang der Teplá werden die Belle Epoque-Bauten immer eleganter bis hin zu drei Höhepunkten: dem außen und innen üppig verzierten Städtischen Theater, dessen Vorhang der Künstler Gustav Klimt bemalt hat. Dem Grandhotel Pupp, das mit seiner alten Pracht wiederholt als Filmkulisse fungierte und noch heute als erste Karlsbader Adresse gilt. Und dem mondänen Kaiserbad. Bis Ende der 1980er Jahre diente es für balneologische Zwecke wie Moorbäder. Dann wurde es erst ein Kasino, dann geschlossen und verfiel, wurde aber dank seiner Ernennung zum Nationalen Kulturdenkmal aus seinem Dornröschenschlaf geweckt und bis Sommer 2023 aufwändig saniert. Baden kann hier heute niemand mehr, aber bei Besichtigungen staunen über edle Holzvertäfelungen, riesige Gemälde, Kronleuchter und den Zander-Saal, in dem als frühes Fitnesscenter schon um 1900 mechanische Übungsgeräte für schwedische Heilgymnastik standen. Im Atrium des opulenten Gebäudes wurde ein topmoderner Konzertsaal integriert, in dem unter anderem das Karlsbader Symphonie Orchester auftritt.
Treffpunkt für‘s Filmfestival mit Thermal Resort
Aus dem Rahmen des historischen Ambientes fällt auch das Hotel Thermal, wohin wir vorbei an schicken Boutiquen, Läden für knusprige Karlsbader Oblaten und durch den Kurpark spazieren. 16 Stockwerke hoch, wurde es ab Ende der 1960er Jahren im Stil des Brutalismus aus Sichtbeton und Stahl gebaut. Jedes Jahr Ende Juni findet hier das Internationale Filmfestival Karlsbad statt, zahlreiche Fotos von teilnehmenden Stars zieren die Wände des Cafés neben der Lobby. Das zweite Alleinstellungsmerkmals des Hotels Thermal ist sein dazu gehöriges Saunia Thermal Resort, das Haus-Gäste gratis besuchen dürfen. Externe können gegen Gebühr eine große Saunalandschaft und die warmen Thermalbecken auf der Terrasse genießen.
Wellness-Bereich mit Pool, Saunen und Heilbehandlungen
Nach dem ausgiebigen Sightseeing quer durch Karlsbad können wir uns nicht zu einem Besuch aufraffen. Schwimmen und Schwitzen sind trotzdem möglich. Denn zum Astoria Hotel & Medical Spa gehört ein Wellness-Bereich mit kleinem Pool, Gegenstromanlage und drei Saunen. Von noch mehr Möglichkeiten erzählt uns am nächsten Morgen eine ältere Dame, die neben uns am Frühstückstisch sitzt. Sie hat im Hotel ein mehrtägiges Paket an Heilbehandlungen gebucht und schwärmt von wohltuenden Parafinpackungen für die Hände, CO2-Therapie und Salzinhalationen – interessante Optionen für einen nächsten Karlsbad-Besuch.
Burg Loket im „Böhmischen Rothenburg“
Erst auf der Autobahn, dann auf schmalen Straßen fahren wir weiter durch hügelige Landschaften nach Loket. Nur 14 Kilometer von Karlsbad entfernt gehen wir hier auf eine weitere Zeitreise, dieses Mal ins Mittelalter. Nicht umsonst wird das Städtchen auch „Böhmisches Rothenburg“ genannt und steht unter Denkmalschutz: Auf einem Granitfelsen über ihm thront wie aus einem Märchenbuch die Burg Loket. Hinter dicken Mauern und Butzenscheiben verbergen sich Gemächer mit schweren Holzmöbeln, einer Ausstellung über altes Porzellan, Waffen von anno dazumal und einer Folterkammer. Entlang der Kopfsteinpflastergassen am Fuß der Burg reihen sich romantische Häuser, kleine Läden, Cafés und Restaurants aneinander. In einem davon – dem Weißen Ross – erinnert ein halboffener, weißer Holzpavillon mit Blick auf die Eger an Johann Wolfgang von Goethe. Der feierte genau hier seinen 74. Geburtstag mit der 19-jährigen Ulrike von Levetzow, um deren Hand er zuvor vergeblich angehalten hatte.
Parkstadt am Rand des Kaiserwalds
Kennengelernt hatten sich der Dichterfürst und seine letzte Verliebtheit während eines vorhergehenden Kuraufenthalts in Marienbad, dem nächsten Stopp unserer Reise. Wo sich bis Anfang des 19. Jahrhunderts ein unwirtliches Sumpfgebiet ausdehnte, wurde auf Initiative des Klosterabts Karel Kaspar Reitenberger eine Parkstadt mit Quellpavillons, klassizistischen Gebäuden und einer neobarocken Hauptkolonnade angelegt. Im Gegensatz zu Karlsbad, das in einem schmalen Flusstal liegt, wirkt Marienbad weitläufiger, weniger urban und grüner, weil direkt am Stadtrand der Kaiserwald beginnt. Das Angebot der Läden ist lange nicht so elegant wie in Karlsbad, viele Hotels und Lokale wirken etwas in die Jahre gekommen.
Lieblingsplatz in der Library Bar
Im Falkensteiner Spa Resort Marienbad, wo wir wohnen, ist das aber nicht der Fall. Das historische Hauptgebäude aus dem 19. Jahrhundert wurde zuletzt 2021 umfassend renoviert; auf Anhieb unser Lieblingsplatz ist die gediegene Library Bar mit holzvertäfelten Wänden, hohen Bücherregalen sowie einladenden Polstersesseln und -sofas. Erweitert um drei moderne Flügel, bietet das Fünfsterne-Hotel heute Platz für 162 Zimmer und seinen Acquapura Spa. Zu ihm gehören nicht nur vier Innen- und Außenpools, vier Saunen, ein Gartenbereich sowie ein Fitness- und Gymnastikraum, sondern auch eine Abteilung für Beauty-Anwendungen. Hier gönne ich mir nach einem Besuch am opulenten Frühstück-Buffet, der wegen des anstehenden Spa-Termins leider zu kurz ausfällt, eine Gesichtsbehandlung.
Kaiserpfalz und historische Häuser
Dann treten wir unsere Rückreise mit einem letzten Zwischenstopp an: Eger. In diesem Städtchen unweit der deutschen Grenze gibt es nicht nur eine mächtige Kaiserpfalz der Staufer, die Kaiser Barbarossa im 12. Jahrhundert anlegen ließ. Sondern auch einen trapezförmigen Marktplatz, den dicht an dicht historische Häuser mit farbigen Fassaden umrahmen. In einigen von ihnen können gut erhaltene Fachwerk-Dachstühle besichtigt werden, die zum Teil bis ins Mittelalter zurückdatieren. Im Erdgeschoss eines anderen liegt das Restaurant Hveszda: Unten gibt es einen historischen Gewölbekeller, darüber mehrere Lounges und ein erstaunlich stylishes Lokal. Zu Bier aus der hauseigenen Kleinbrauerei lassen wir uns panierten Käse mit Tatarsauce und Pommes Frites schmecken – eine tschechische Spezialität. Auf der anschließenden Heimfahrt schaffen wir es leider nicht mehr nach Franzensbad, das wie Karlsbad und Marienbad zu den Great Spa Towns of Europe gehört und seit 2021 Teil des gleichnamigen UNESCO-Weltkulturerbes ist. Aber so haben wir einen guten Grund, bald wieder ins westböhmische Bäderdreieck zurückzukommen.
In Sachen Transparenz: Wir bedanken uns ganz herzlich bei der Tschechischen Zentrale für Tourismus für die freundliche Unterstützung der Reise und bei Crystal Communications für die tolle Organisation (Werbung, da Pressereise). Wir stellen nur Hotels, Destinationen und Aktiviten vor, die wir selbst getestet haben und die wir auch Freunden empfehlen würden.