Auf dem Pferderücken durch Transsilvanien
Schon als Kind ist unsere Autorin Adrienne Friedlaender mit ihrem Shetlandpony durch die Wiesen galoppiert. Pferde und die Reiterei sind ihre Herzens-Leidenschaft, die allerdings im bunten Familienleben viele Jahre etwas zu kurz kam. Aber nach Family first ist jetzt „Me Time“ angesagt. Und das bedeutet: Rauf auf’s Pferd und im Galopp ins Abenteuer.
„Canter is coming up!“. Mátyás reitet an der Spitze unserer achtköpfigen Gruppe. Und kaum hat er uns den Befehl zum Galopp zugerufen, beginnt sein Brauner aufgeregt zu tänzeln. Auch meine lebendige Lipizzaner Stute Alma braucht keine weitere Aufforderung. Und schon geht’s los. Im frischen Galopp preschen unsere Pferde hinterher. Almas Hufe fliegen übers Grasland. Bis zum Horizont Felder, Wälder und die Hügellandschaft der Karpaten. Was für ein Glücksgefühl. Rund 120 Kilometer liegen vor uns. Fünf Tage werden wir durch Transsilvanien reiten. Eines der letzten unberührten Naturgebietet Europas.
Reitabenteuer auf dem Land
Am Mittag des Vortages bin ich aus Bukarest mit dem Bummelzug angereist. Gemütlich zuckelten wir vorbei an Sonnenblumenfeldern, Seen, Wiesen und Wäldern. Bauern, die ihr Heu mit der Sense schneiden. Eine Reise in ein früheres Jahrhundert. Auch Miklósvár ist ein Dorf, das aus der Zeit gefallen zu sein scheint. Nur eine einzige asphaltierte Straße gibt es. Ein Pferdekarren, hoch beladen mit Heu, rumpelt vorbei. Hier ein alltägliches Bild. Auch heute noch nutzen viele Bauern Esel- und Pferdewagen für die Feldarbeit.
Hier treffe ich am Abend im Stone Pub die anderen sieben Reiter unserer Gruppe und Anna Kálnoky. Die 59jährige Gräfin bietet seit 20 Jahren Reitausbildung und Wanderritte an und aus ihrem Stall kommen auch die Pferde für unser Reitabenteuer. Schon bei der Anmeldung haben wir Größe, Gewicht und Reitkenntnisse angegeben. Nun möchte Anna uns persönlich kennenlernen, bevor sie die passenden Pferde für uns aussucht.
Alma – das perfekte Pferd
Am nächsten Morgen fahren wir ein paar Dörfer weiter zu den Ställen nach Sepsiköröspatak. Dort stehen die Pferde schon gesattelt für uns bereit. Für mich hat Anna Alma ausgesucht. Eine elegante und lebendige Lippizanerstute in den besten Jahren. Ich bin total begeistert von meiner Stute. Alma und ich sind von der ersten Sekunde an ein harmonisches Team. Aber bevor wir aufbrechen, überprüft Gräfin Anna im Paddock noch einmal ihre Wahl. Hochkonzentriert steht sie in der Mitte der Bahn und beobachtet uns mit Argusaugen. Die Sicherheit der Reiter liegt ihr ebenso am Herzen wie das Wohlbefinden ihrer geliebten Pferde. Und dafür hat sie ein sehr gutes Auge.
Begleitet werden die maximal acht Reiter von Mátyás, dem ältesten Sohn von Gräfin Anna und Graf Tibor. Mit dabei ist meist auch Sándor Bölöni. Er lebt in Sepsiköröspatak, ist ein erfahrener Reiter und arbeitet in der dritten Generation und nun schon seit mehr als 20 Jahren für die Familie Kalnoky. Er ist die rechte Hand von Mátyás und sorgt für Sicherheit von Pferd und Reiter.
Das Abenteuer kann beginnen
Nach zwanzig Minuten gibt Anna ihr Ok für die Gruppe und verlässt zufrieden die Reitbahn. Wir verstauen Regenjacken, Picknick und Wasser und unsere persönlichen Sachen in den ledernden Satteltaschen und verlassen den Hof. Das Abenteuer beginnt. Etwa fünf bis sechs Stunden am Tag werden wir in den nächsten fünf Tagen im Sattel sitzen.
Und bei einen Ritt durch die Wildnis gibt es einiges zu beachten. Als wir das Dorf hinter uns gelassen und den Waldsaum erreicht haben, versammeln wir uns im Halbkreis um Mátyás. „Wir werden freilaufenden Pferden begegnen“, warnt er. „Die fühlen sich manchmal bedroht durch uns. Es sind keine Wildpferde. Die Bauern bringen sie zum Grasen in die Berge. Dann wird das Leitpferd am Baum festgemacht, der Rest der Herde läuft frei herum – und ist manchmal recht angriffslustig.“
Mátyás ist noch nicht fertig: „Wir werden auch Schafherden treffen. Und jeder Schäfer hier draußen hat eine Menge Hütehunde dabei. Die verteidigen ihre Herde nicht nur gegen Bären, sondern auch gegen Menschen und Pferde.“
Perfekt: Ausritt mit Picknick
Ein paar Stunden später ist es soweit: Ein Dutzend riesiger strubbeliger Hüte-Hunde springt aus dem Gebüsch. Die Meute kläfft als gäbe es kein Morgen. Kein Zweifel: Jeder einzelne würde mit seinem Leben die Schafe verteidigen. Sandor pfeift und ruft. Die wilde Meute macht kehrt. Und wenig später in einem Waldstück begegnen wir dann auch schon den freilaufenden Pferden. Kaum haben sie uns wahrgenommen, lösen sich zwei Junghengste aus der Herde und traben mit hoch erhobenem Kopf und wehender Mähne auf uns zu. Sándor springt sofort vom Pferd, stellt sich zwischen Hengste und Reitergruppe und verscheucht die beiden Youngsters energisch.
Wir beruhigen uns wieder. Kein Mobilnetz, kein Verkehr, keine Menschen. Wir reiten über Wildblumenwiesen, erklettern Hügel, durchqueren rauschende Bäche, bewegen uns bergauf und bergab durch eine herrlich weite Landschaft. Als die Sonne am höchsten steht, erreichen wir einen Eichenwald. Mittagspause. Wir lösen die Sattelgurte, binden unsere Pferde im Schutz der Bäume an und auch wir lassen uns mit unserer lecker gefüllten Lunchbox auf einer Picknick-Decke im Schatten nieder. Zwei Adler kreisen über der Lichtung und beobachten wie mit großem Appetit Hähnchenkeulen und Sandwichsschmecken vertilgen. Danach ist Siesta-Time. Wir strecken unsere müden Knochen, dösen in der Sonne, tauschen bei Kaffee und Tee die Erlebnisse des Vormittags aus.
Transsilvanian ganz ohne Vampire
Am späten Nachmittag erreichen wir unser Tagesziel. Jeden Abend übernachten wir an einem anderen Ort: In typisch transsilvanischen Gasthäusern, privat bei einer Jägerfamilie und heute in einer Wanderherberg mitten im Wald. Und immer herrscht vergnügte Stimmung, wie auf einem Klassenausflug. Schnatternd verteilen wir uns auf die Zimmer, in denen unser Gepäck schon wartet. Auf dem Trail-Komfort-Ritt wird das Gepäck täglich zu den Unterkünften transportiert. Und an jedem Ort werden wir herzlich empfangen und köstlich bekocht.
Und natürlich fällt dann eines Abends auch die Frage nach dem Grafen Dracula, der als Vampir in Transsilvanien sein Unwesen getrieben haben soll. „Es gab hier nie Vampire,“ stellt Mátyás klar. „Wohl aber ein Vorbild für die Romanfigur des Iren Bram Stoker: Graf Vlad III., der im 15. Jahrhundert für seine Grausamkeit berüchtigt war. Er brannte Felder nieder, vergiftete Trinkwasser und ließ seine Opfer pfählen.“ Aber Mátyás ist kein Fan des Dracula-Kults. „Unsere Heimat hat viel Besseres zu bieten.“ Um mich herum nickende Gesichter.
In Sachen Transparenz: Wir bedanken uns ganz herzlich bei „Pegasus Reiterreisen“ für die freundliche Unterstützung der Reise. (Werbung, da Pressereise). Wir stellen nur Hotels, Destinationen und Aktiviten vor, die wir selbst getestet haben und die wir auch Freunden empfehlen würden.