Skiferien beim Weltmeister!
Hier sind Familien willkommen: Zu Besuch bei Gustav Thöni im verträumten Bergdorf Trafoi am Fuße des höchsten Gipfels Südtirols! Unsere Autorin Adrienne Friedlaender erzählt von einem ganz besonderen Winterurlaub mit ihren Jungs …
„Ich bin so schnell wie der Skirennfahrer!“ ruft Juri mit abenteuerlichem Funkeln in den Augen. Die Kluft zwischen der gefühlten Geschwindigkeit von 140 und der tatsächlichen von etwa 3 km/h überbrückt er spielend mit der Leichtigkeit kindlicher Fantasie. Skilehrer Jochen gleitet rückwärts im Schneepflug mit ausgebreiteten Armen vor ihm den Hang hinunter, um den Rennfahrer im Notfall aufzufangen.
‚Bella Vista’ – Schöne Aussicht heißt das Hotel in dem kleinen Ort Trafoi und macht seinem Namen vor dem Panorama des Ortler alle Ehre. Und tatsächlich dreht sich in dem Hotel am Fuße des Stilfser alles um Geschwindigkeit: Es ist Geburtshaus und Heimat des ehemaligen Skirennläufers Gustav Thöni. Hier kam der vierfache Ski-Weltmeister im Jahre 1951 auf die Welt und in Trafoi begann auch seine legendäre Sportkarriere.
Wer einen großen Skizirkus erwartet, ist in dem kleinen Bergdorf verkehrt. Auch Pistengaudi, Après-Ski, Discos oder Hüttenzauber kennt man hier höchstens vom Hörensagen. In Trafoi geht es beschaulich zu, der Ort hat nur ein kleines Skigebiet: Drei Lifte und eine gute Handvoll Abfahrten. Das Skigebiet verzaubert mit seinen märchenhafte verschneiten Wald und der winterlichen Stille. Schlangen vor den Liften gibt es hier nicht und im Laufe des Tages sieht man immer wieder die gleichen Gesichter. Verloren geht hier niemand, was ja recht beruhigend sein kann, wenn man als Familie mit Kindern unterwegs ist. Und wenn doch, weiß spätestens der Seppl am Schlepplift, wo ihr Filius geblieben ist. „Den Justus suchen’s Ist das nicht der kloane fesche Bua mit’m Hölm? Der is grad no a mol nauf gfohrn.“ Spätestens zur Mittagszeit dann treffen sich alle zum Kaiserschmarren oder einer Tasse heiße Leberknödelsuppe in der Furkelhütte – der einzigen Wirtschaft am Berg.
Bereits im Jahre 1875 legte die Familie Ortler den Grundstein für die Pension am Fuße des höchsten Gipfels Südtirols und schon damals kehrten die Reisenden in Postkutschen zur Rast im „Gasthof zur schönen Aussicht“ ein.
Rund 100 Jahre später investierte Gustav Thöni das durch seine sportlichen Erfolge erwirtschaftete Vermögen in den Ausbau der elterlichen Pension. Eine Galerie voller Pokale, Medaillen und Fotos, die ersten handgeschnitzten Skier und ein alter Rennanzug erzählen den Lebensweg und die Geschichte des Ski-Weltmeisters. Neben der gefühlvollen und behutsamen Renovierung lebt das Traditionshotel heute vor allem aber durch die Gastfreundschaft der Familie Thöni. Ingrid Thöni, Ehefrau der Skilegende und Tochter Petra führen den Betrieb mit viel Herzblut und Hilfsbereitschaft. Die beiden sind die Seele des Hotels und sicher der Grund dafür, dass es viele Stammgäste Jahr für Jahr wieder in das „Bella Vista“ zieht.
Am Nachmittag trudelt ein Gast nach dem anderen im Hotel ein. In der Halle knistert ein wärmendes Kaminfeuer für die durchgefrorenen Skifahrer. Ein paar Kinder essen hausgemachten Apfelstrudel mit Vanillesauce und spielen Mau-Mau. Die Erwachsenen lesen, ziehen sich für ein kurzes Nickerchen in ihre Zimmer zurück oder verbringen den Nachmittag in der Sauna. Um 18 Uhr gibt es Abendessen für die Kinder und naturallemente tres corsi per Bambini – drei Gänge für die Kinder. Schließlich sind wir in Italien: Pasta, Carne, Dolci. Nach dem Kindermenü verschwindet Juri mit Natalie, die die Gästekinder am Nachmittag und Abend betreut im „Bärenclub“ bis auch die Erwachsenen gegessen haben. Vor dem Kamin genießen wir gefüllte Teigtaschen mit Trüffelsauce, ein souffliertes Jungschweinsteak mit Gorgonzolakruste und Topfensouffle auf Zwetschgensauce.
Mit seiner neu entwickelten Umsteigetechnik revolutionierte der Rennfahrer den Fahrstil seiner Zeit und erlangte neue Rekordgeschwindigkeiten. Aber auch den Umstieg ins Familienleben hat Gustav Thöni mit Bravour gemeistert. Thöni, der von 1989 bis 1996 persönlicher Trainer von Alberto Tomba war, und auch viele Jahre die italienische Ski-Nationalmannschaft betreute, trainiert heute nur noch seine Enkelkinder.
Mit roten Backen und glänzenden Augen sitzt Juri vorn auf Gustavs Schlitten und saust zusammen mit dem Skiprofi den fackelbeleuchteten Skihang hinunter. Einmal die Woche veranstaltet Gustav das beliebte „Nachtrodeln“ für die Gästekinder. Und am nächsten Morgen sitzen die Erwachsenen mit roten Wangen am Frühstückstisch: Skifahren mit Gustav steht auf dem Programm. So schwungvoll wie der sympathische Südtiroler in den 79iger Jahren die Herzen seiner Fans erobert hat, wedelt er mit einer Gruppe seiner Anhänger im Gefolge elegant wie eh und je die Hänge hinunter. Wer träumt nicht davon, einmal im Windschatten des Weltmeisters die Hänge hinunter zu wedeln? Beim Gäste-Rennen am Ende der Ferien gewinnt Juri- wie alle Kinder des Skikindergartens – seine erste Silbermedaille. Innerhalb einer Woche ist es ihm gelungen, seine Geschwindigkeit von 3 auf 6 km/h zu verdoppeln. Noch keine Weltmeisterleistung, aber wie die Geschichte zeigt, sind in Trafoi Wunder möglich.