Der Logenplatz Südtirols
Reiten, Burgenbummel, Shoppen und abends zum coolsten Wirt von Bozen: Der Wietererhof in Südtirol hat ein All-inclusive-Paket für alle Urlaubswünsche zu bieten. Unsere Autorin Verena Carl hat es mit ihrer Familie ausprobiert.
Wenn es um das Thema Reisen geht, weiß meine Familie ganz genau, was sie will. Nur leider will sie vier Mal etwas komplett verschiedenes. Helen, 9, wünscht sich Pferde. Aber nicht nur. „Mama, letztes Jahr auf Sizilien waren wir doch abends mal in einer Bar, können wir das dieses Jahr wieder machen?“ Dierk, 49, ist vor allem glücklich, wenn er altes Gemäuer um sich hat, möglichst Burgen mit möglichst prächtigen Rüstkammern. Und was leckeres zu Essen. Wetter? Nicht so wichtig. Ich dagegen hätte schon gern ein sonniges Kontrastprogramm zu meiner Heimatstadt Hamburg, und viel Natur. Auf Essen und Bars können wir uns einigen. Bleibt noch Henri, 7. Bei ihm ist es einigermaßen einfach: Egal wohin, egal wie warm, Hauptsache, es gibt eine Wiese zum Fußballspielen.
Von wegen durchgesessene Musterpolster: High-End-Urlaub auf dem Wietererhof
Bei dieser komplizierten Knobelaufgabe könnte man verzweifeln. Oder auf eine nahe liegende Lösung kommen: Südtirol. Von Hamburg aus ein Stück zu fahren, aber für uns lässt sich das immer prima mit einem Familien-Übernachtungsstopp in München vereinen. Und die Kombi aus südländischer Lebensfreude, genialer Spaghetti-Knödel-Küche, Naturidyll und Kultur hat uns schon mehrere Male die Ferienlaune gerettet. Unser Ziel diesmal: der Wietererhof in Jenesien. Hier, auf einem sonnigen Hochplateau oberhalb Südtirols größter (und wärmster) Stadt Bozen, werden wir sicherlich glücklich.
Haflinger zum Ausreiten, Traumblick auf das berühmte Bergpanorama des „Rosengartens“, und hübsche Ferienwohnungen, die nichts mit dem traditionellen „Urlaub auf dem Bauernhof“ zu tun haben. Denn wer dabei an düstere Souterrainwohnungen mit Stallmief und den abgelegten Möbeln aus den 70er Jahren denkt, hat sicher noch nichts vom „Roten Hahn“ gehört. Das ist ein Zusammenschluss von Südtiroler Urlaubsbauernhöfen, die sich nur das beste auf die Fahnen geschrieben haben: stilvolle Einrichtung, frische Produkte direkt vom Hof, und ganz viel Gastfreundschaft. Manche Mitgliedsbetriebe verkaufen ihre bäuerlichen Produkte auch, etwa Filzarbeiten, besondere Marmelade oder Sirup aus Früchten, die aus eigenem Anbau stammen.
Erst kommt das Glück, dann der Kater
Der Wietererhof ist seit Jahrhunderten im Familienbesitz. Ursprünglich im Dorfzentrum von Jenesien gelegen, haben die Wirtsleute Waltraud und Hans im vergangenen Frühjahr einen großen Schritt gemacht und ein komplett neues Gebäude errichtet, etwa eine Viertelstunde Fußmarsch vom Dorf entfernt und mit weitem Blick über das Tal. Mit dem Auto muss man das letzte Stück einfach über den Waldweg nehmen. Es sind nur wenige Ferienwohnungen, nicht ganz billig, aber ein schönes Beispiel dafür, wie alpiner Stil heute aussehen kann: Helles Holz, klassische Elemente wie Eckbank und großer Esstisch, und an den Wänden großformatige, schwarzweiße Fototapeten mit historischen Aufnahmen aus dem bäuerlichen Leben. Dazu gibt’s im Haupthaus noch einfachere Gästezimmer für die kleinen Mädchen, die hier in größeren Gruppen Reiturlaub machen. Man kann aber auch ohne Programm spontan Reitstunden buchen.
Und so darf Helen unter der Anleitung einer freundlichen, haflingerblonden Reitlehrerin aus dem Rheinland fast täglich ihre Runden auf dem Platz drehen, so lange, bis Henri auch mal will. Und ich mich nach 30 Jahren Pferde-Abstinenz auch zum ersten Mal wieder auf jenen Rücken begebe, auf dem das Glück liegen soll. Tut es auch, bringt aber einen gewaltigen Muskelkater mit sich. Deshalb brauche ich erstmal drei Tage Pause, ehe wir uns zu dritt auf einen geführten Ausritt in Richtung Salten begeben, einem weiteren Hochplateau, umgeben von duftenden Lärchenwäldern. Auch ein beinahe magisches Familien-Wanderziel, vor allem im Herbst: keine allzu lang ansteigenden Wege, abwechslungsreiche Landschaft, und in der Oktobersonne glänzen die herbstlich verfärbten Nadeln, als wären sie aus Gold.
Ein Comic aus Stein und Besuch aus dem Himalaya
Für meinen Mann liegt das Glück nicht auf dem Pferderücken, ist aber dafür nur eine Seilbahnfahrt entfernt. Wer nicht eine knappe halbe Stunde die Serpentinenstraße mit dem Auto herunterkurven möchte, nimmt einfach die Gondel ab Jenesien und schwebt damit an den Stadtrand von Bozen, dort, wo Burg Runkelstein malerisch auf einem Fels thront. Eine Ritterburg wie aus dem Bilderbuch, und so wird sie auch genannt: Bilderburg. Denn auf Runkelstein befinden sich erstaunlich viele gut erhaltene Wandmalereien aus dem Mittelalter. Ein Helden-Comic aus Stein, der auch Kindern Spaß macht, und ein echtes Muss für Bozen-Besucher. Auf der anderen Seite der Stadt wiederum befindet sich Schloss Firmian, eine der Südtiroler Burgen, die sich der Ausnahmebergsteiger Reinhold Messner zu einem „Messner Mountain Museum“ umgebaut hat, mit dieser ganz eigenen Mischung aus Götterstatuen und Gebetsfahnen aus dem Himalaya und Ausstellungsstücken zur Geschichte des Alpinismus. Ein tolles Ensemble, in dem man leicht einen ganzen Tag verbringen kann.
War da noch was? Genau: die Stadt zwischen den Burgen. Bozen, mit seinen lauschigen Plätzen, der Laubengasse, in der man schick shoppen kann, dem für Kinder sehr sehenswerten, top modernen Archäologischen Museum mit der Original-Leiche des „Ötzi“, und einer Fülle von Gasthäusern und Restaurants. Bars auch? Aber hallo. In der Via Dr. Josef-Streiter im Stadtzentrum tobt jeden Abend das Leben, und weil wir in Italien sind, toben Helen und Henri auch noch zu einer Zeit mit, in der sie daheim schon im Bett liegen. Unser Favorit: Die Bar „Fischbänke“ mit ihren bunten Tischen unter Weinlaub, einer langen Theke vor malerischer Fassade und einem Wirt mit Hut, Schnauzbart, Nickelbrille und herrlich lässiger Lebenskünstler-Attitüde. „No stress zone – area destressizata“ – steht auf einem Holzschild über dem Eingang, und wirklich, kaum ein Ort eignet sich so trefflich, um die Gedanken schweifen zu lassen, Leute zu gucken, und (freut die Kinder!) jede Menge Gratis-Chips in sich hineinzustopfen.
Ach ja: ein großes Sportgeschäft hat Bozen ebenfalls. Das verkauft auch Fußbälle. Ein Glück. Es ist nämlich so: Das mit dem Kicken ist das einzige, was dann doch nicht so gut geklappt hat in unserem Familienplan. Weil die Bergwiesen einfach so steil sind und überall gleich der Wald anfängt, so dass Henri sein von zu Hause mitgebrachtes Leder gleich am ersten Tag zwischen Lärchen verloren hat. Der Urlaub hat ihm aber trotzdem Spaß gemacht. Mein Sohn, ich verspreche es dir, unser nächstes Ferienziel wird vor allem eines: flach.
In Sachen Transparenz: Wir bedanken uns ganz herzlich beim Wietererhof und Roterhahn.it für die freundliche Unterstützung dieser Reise (Werbung, da Pressereise). Wir stellen nur Hotels und Unterkünfte vor die wir selbst getestet haben und die wir auch Freunden empfehlen würden.