Adventlicher Spaziergang auf den Spuren des „Weißen Goldes“
Ein Tag ist fast zu kurz um all das zu erleben und zu genießen was Bad Reichenhall zu bieten hat. Genuss für Gaumen und Körper, über 5000 jährige Kultur und Natur inmitten imposanter Berggipfel mit sagenumwobenen Namen wie „Schlafende Hexe“ oder „Predigtstuhl“ -all das will erlebt werden an diesem Adventswochenende.
„Wer erkennt die schlafende Hexe?“ So könnte das Gespräch beim Frühstücks-Brunch aussehen. Durch die riesigen Panorama-Fenster des frisch umgebauten „Klosterhofs“ lässt sich der Blick auf das Lattengebirge bei frischgebackenem Gebäck, Weißwürsten, Obst und einem Glas Sekt besonders genießen. Über dem Buffet hängt eine Original-Holztafel mit der Aufschrift „Klosterhof 1500“ ein Hinweis auf die 500 jährige Vergangenheit des Bauernhofes, der einst zum Bad Reichenhaller Kloster St.Zeno gehörte. Vor allem in den, vom jungen Eigentümerpaar Andreas und Henrike Färber, renovierten, traditionellen Zeno-und Hallgrafenstuben, wird diese Vergangenheit, die eng mit der Geschichte des Kurortes Bad Reichenhall verknüpft ist spürbar. Ein idealer Ausgangspunkt für einen adventlichen Spaziergang entlang der Allee am Königsweg, die direkt vom Klosterhof in Richtung Bad Reichenhall bis hinunter zum Kloster St.Zeno führt. Das Münster St. Zeno, an der Salzburger Straße ist mit 90 Metern Länge, 30 Metern Breite und einer Turmhöhe von 48 Metern, die größte, im romanischen Stil erbaute Basilika Südbayerns. Sie ist damit nur zehn Meter kürzer als der Salzburger Dom und die bedeutendste kunsthistorische Sehenswürdigkeit der Stadt. Die dreischiffige Basilika entstand in den Jahren 1136 bis 1228. Das romanische Portal und der altdeutsche Vaterunser-Text in der Vorhalle gehören zu den sehenswertesten Details.
Weiter führt uns der Spaziergang entlang der Salzburger Straße und dem Karlspark bis zur festlich beleuchteten und geschmückten Fußgängerzone. Hier sind wir eigentlich schon mitten drin in der Historie des Heilbades, denn die eigentliche Geschichte des Kurortes Reichenhall beginnt 1846 mit der Eröffnung der „Sole-und Molkekuranstalt Achselmannstein“, dem späteren Grand Hotel Axelmannstein, wo illustre Gäste wie König Maximilian I., Richard Wagner und Mozart nächtigten. Direkt gegenüber steht das Kurmittelhaus der Moderne. Wobei das „Moderne“ sich eher auf die Zeit um die letzte Jahrhundertwende bezieht, während der florierenden Zeit des Kurbades. Seither werden in den Räumen verschiedene Sole-Anwendungen (Bade-Kur, Trinkkur und Aerosol-Kur) durchgeführt. Bereits seit der Römerzeit war Reichenhall aufgrund seiner Solevorkommen mit einem Salzgehalt zwischen 20 und 70 Prozent als einer der wichtigsten Salzproduzenten Europas zu Reichtum gelangt. Das Salz, das durch verschiedene Siedevorgänge aus der Sole gewonnen wurde, war bis zum Stadtbrand 1834, die wichtigste Lebensgrundlage Reichenhalls, dannach diente es gesundheitlichen Zwecken. Durch die Ludwigstraße, die von König Ludwig I. nach Florentiner Vorbild gebaut wurde gelangen wir zum Rathausplatz.
Dort wo der Christkindlmarkt mit seinen schönen Kunsthandwerkbuden, steht, wartet bereits Martina Scholze. Sie führt entlang der Bad Reichenhaller Sehenswürdigkeiten und weiß allerlei Anekdoten zu erzählen.Wie die vom alten „Brodhaus“, welches heute noch an der Ecke zur Poststraße steht und wo alle Bäcker ihr Brot abliefern mussten. Oder vom ehemaligen Salzmeieramt, indem sich heute die Polizeistation verbirgt. Sie erzählt auch, dass König Ludwig I. ein Fünftel seiner Staatseinnahmen aus dem Reichenhaller Salz abgedeckt hat. Dafür errichtete er in der Alpenstadt viele Bauwerke, wie das Rathaus von 1834 nach italienischem Vorbild.
Ochs und Esel aus Stroh stehen unter dem Maibaum und warten an der Krippe aufs Christkind.
Dolce Vita in den bayerischen Alpen? Wer hätte gewusst, dass im Bad Reichenhaller Kurgarten aufgrund des fast mediteranen Klimas Palmen und Bananenpflanzen gedeihen? Neben den seltenen Pflanzen ist der Blickfang im Park das alte Gradierwerk. Zwar tropft in den Wintermonaten keine Sole durch die 100 000 Schlehenzweige, dennoch ist es beeindruckend um das 162 Meter lange und 13 Meter hohe Gradierhaus zu spazieren und sich vorzustellen, wie die Kurgäste hier seit 110 Jahren die Sole inhalieren. In den warmen Monaten rieseln über die großen Flächen täglich 400 000 Liter zwei bis dreiprozentige Sole, die an den feinen Verästelungen der Zweige zerstäubt. Dadurch erhält die, mit Salzteilchen angereicherte Luft einen hohen Feuchtigkeitsgehalt. Diese Aerosole dringen in die Atemwege ein und bewirken dort die Reinigung und Durchblutung der Schleimhäute. In den Wintermonaten kann man die Wirkung der Sole in der direkt danebenliegenden, beheizten Wandelhalle erleben. Aus einem Trinkbrunnen fließt Tag und Nacht die Sole zur Verkostung, warm oder kalt. Über Geschmack lässt sich bekanntlich streiten, über die gesundheitsfördernde Wirkung nicht.
Der geschichtsträchtige Spaziergang führt uns noch mal zurück, wahlweise durch eine der beiden Fußgängerzonen, vorbei am ältesten romanischen Kirchlein der Stadt, der St.Josef-Spital-Kirche (sie grenzte im Mittelalter direkt an das Krankenhaus), zum schönsten Backsteingebäude Bad Reichenhall s- der alten Saline. Das 1840 erbaute Gebäude ist völlig intakt geblieben. Mittelpunkt ist das Hauptbrunnhaus, der Ort, wo seit Jahrhunderten die Solequellen sprudeln. Schon von der Straße aus ist der Klang des Messingglöckchens zu hören, die einst dem Brunnmeister den regelmäßigen Gang der beiden riesigen Wasserräder, von je 13 Metern Durchmesser, angezeigt hat. Seit 150 Jahren schöpfen sie Tag und Nacht die Sole. Bei einer Führung belangt man in den 14 Meter, unter dem Brunnhaus, gelegenen Quellenbau, wo ein Labyrinth von in Marmor gefassten Stollen, die verschiedenen Solequellen erschließt und erfährt alles über die Ursprünge und die Verarbeitung des „Weißen Goldes“ bis in die heutige Zeit. Diese begann 1925 mit dem Bau der nördlicher gelegenen Neuen Saline, aus der bis heute eine Jahresproduktion von 300 000 Tonnen Salz gewonnen wird. Noch tiefer zurück in die Geschichte Bad Reichenhalls führt Martina Scholze, als sie plötzlich in kleine, malerische Gässchen abbiegt. Man fühlt sich zurückversetzt in ein Städtchen im Mittelalter, so windschief und eng sind die Häuschen rund um den ältesten Platz der Stadt, dem Florianiplatz. Ochs und Esel aus Stroh stehen unter dem Maibaum und warten an der Krippe aufs Christkind. Noch mehr mittelalterliche Stimmung findet man oberhalb dieses Platzes: am Weihnachtsmarkt der Burg Gruttenstein. Normalerweise ist die privat bewohnte Burganlage, die im 12. Jahrhundert zum Schutz der kostbaren Solequellen errichtet wurde, für die Öffentlichkeit nicht zugänglich. Doch immer um die Weihnachtszeit öffnet die Schlossherrin ihre Pforten für den Weihnachtsmarkt. Von hier aus könnte man den direkten Weg über den Hang zurück zum Klosterhof nehmen, doch der Eindruck wäre unvollständig, würde man sie nicht mit einer Fahrt mit der ältesten, noch im Originalzustand fahrenden Seilbahn der Welt (gebaut 1925) abrunden und vom Predigtstuhl den grandiosen Talblick von 1583 Metern Höhe auf Bad Reichenhall genießen.