Es gibt Urlaubswünsche, die man sich unbedingt erfüllen möchte. Für meine 13jährige Tochter Clara und mich ist das seit Jahren „Ausreiten am Meer“. Im Mazagan Beach & Golf Resort 90 Kilometer südlich von Casablanca wird unser Traum wahr. Auf zwei ebenso grazilen wie kraftvollen Araberhengsten reiten wir eine Stunde am sieben Kilometer langen Atlantikstrand entlang, wo sich außer uns nur Möwen und Seeschwalben tummeln: erst Schritt, dann Trab, schließlich im gestreckten Galopp, der sich anfühlt wie Fliegen. Denn ein angeborenes Wettkampf-Gen lässt unsere rassigen Pferde Kopf an Kopf über den Sand jagen. Auf dem Rückweg scheint unser Hotel im Dunst der Brandung wie eine Fata Morgana hinter den Dünen zu schweben: Wo früher Wald war, beherbergt seit Oktober 2009 ein maurisch-arabisch gestalteter Fünfsterne-Komplex rund um einen imposanten Pool bis zu 1.000 Gäste in 468 Zimmern und 32 Suiten. Außerdem verteilen sich ein Konferenzcenter, ein Casino nebst Nightclub, ein SPA inklusive Hamam und Fitnessstudio, ein von Gary Player designter 18-Loch-Golfcourse, drei Kids-Clubs, acht Restaurants, Bars und Lounges, Tennis- und Fußballplätze sowie 67 Luxusvillen locker auf dem insgesamt 250 Hektar großen Gelände. Kein Wunder, dass wir einige Tage brauchen, um alles zu erkunden und die zahlreichen Angebote auszutesten.
Die Versuchung, nach dem opulenten Frühstücksbüffet einen der vielen Liegestühle unter Palmen zu belegen und den Tag bis zum Abendessen im 1001-Nacht-Lokal Morjana oder beim Seafood-Spezialisten Sel De Mer mit Schwimmen, Sonnen und Dösen zu verbringen, ist zwar groß. Dennoch siegt die Neugier auf Sportarten, die wir noch nie ausprobiert haben. Und so nehmen wir eine Golf-Schnupperstunde, bei der wir mit unseren Schlägern den perfekt präparierten Rasen malträtieren, bis endlich der erste Abschlag gelingt. Weniger schwer fällt uns zum Glück das Bodysurfen im Meer: mit dem Rücken zu Brandung warten Clara und ich wieder und wieder passende Wellen ab, bevor wir uns im Neoprenanzug bäuchlings auf unsere Bretter werfen, um auf einer sahneweichen Gischtschicht ans Ufer zu gleiten.
Bei so vielen Wohlfühl-Offerten gibt es eigentlich keinen Anlass, den perfekten Urlaubskosmos des Mazagan verlassen. Aber weil wir unsere Reise mit einem Kurz-Aufenthalt in Marrakesch abschließen wollen, unternehmen wir als Vorgeschmack darauf einen Ausflug nach Azemmour und El Jadida: zwei benachbarte Städtchen mit malerischer Medina und quirligen Geschäftsstraßen, wo Frauen mit Kopftuch oder Schleier, Männer in Djellaba genannten Gewändern und erstaunlich wenige Touristen unterwegs sind. Deren Dichte ist an der letzten Station unserer Reise umso größer, gilt doch die Königsstadt als „Perle des Südens“.
Nach der fast vierstündigen Fahrt durch ländliche Gegenden, die sichtlich mehr Schafe, Ziegen und Esel als Menschen bevölkern, sind Clara und ich vom Gewusel Marrakeschs anfangs etwas eingeschüchtert. Entsprechend froh sind wir über unsere Unterkunft Riad Alwachma: ein kleine Maison d’Hôtes, deren neun verhalten orientalisch gestylte Zimmer sich auf zwei Etagen um einen ruhigen Patio mit Rosenblättern im plätschernden Brunnen gruppieren. Bei Minztee und Gebäck plaudern wir mit der sympathischen Besitzerin, einer jungen Französin.
Dann marschieren wir los: erst zum Jardin Majorelle, den ein gleichnamiger Maler ab 1924 anlegte und Modeschöpfer Yves Saint Laurent bis zu seinem Tod weiter hegte und pflegte. Dann nehmen wir ein Taxi zurück zur Altstadt, um dort durch die Souks zu spazieren. Orientierung ist in dem engen Gassengewirr schwierig bis unmöglich. Deshalb lassen wir uns einfach von Geschäft zu Geschäft treiben und feilschen immer versierter um Glasperlenarmbänder, bunte Seidenquasten und duftende Gewürze, bis wir Stunden später zur berühmten Place Djemaa el-Fna finden. In mobilen Garküchen werden lange Fleischspieße auf Holzkohle gegrillt und Schnecken aus dampfenden Kesseln in kleine Schälchen geschöpft. Berber-Frauen buhlen um Kundschaft für Henna-Tattoos. Musikgruppen übertönen sich mit den Klang von Trommeln und metallenen Kastagnetten. Und sogar eine Kobra wiegt sich zum Flötenklang eines Schlangenbeschwörers. Sehr fremd sind diese Eindrücke für alle Sinne, aber auch so stimulierend, dass Clara und ich einen neuen Urlaubswunsch ganz oben auf unsere Liste setzen: „Wieder nach Marokko kommen! Und zwar so bald wie möglich.“